Astrid Lindgrens Stockholm

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Wenn der Name der großen schwedischen Autorin Astrid Lindgren fällt, befällt uns selbst sogleich das Bullerbü-Syndrom.

Wobei sie den Großteil ihres Lebens nicht zwischen roten Schwedenhäuschen, wunderschönen Landschaften und glücklichen Kindern und deren Familien verbracht hat, sondern in Stockholm. Und diese Lebenszeit dort hat sie auch durchaus in ihren Romanen verarbeitet, zum Beispiel in „Mio, mein Mio“: Der Beginn beschreibt sogar  recht detailreich einen Ort in Stockholm: Den Tégnerpark in Stockholms Vasaviertel. Dort sitzt der kleine Bosse auf einer quadratischen Grünfläche, der mit einem kärglichen Spielplatz und einem künstlichen Bach ausgestattet ist. Eingerahmt wird diese kleine Welt durch hohe Wohnhäuser.

So sehr, wie wir uns nach den ländlichen Idyllen sehnen, wie sie Lindgren in ihren Büchern beschreibt – von Mittsommer zu Krebsefangen, alles innerhalb der ländlichen Provinz – Sie selbst hat dieser Heimat den Rücken zugegekehrt und ist nach Stockholm geflohen.

Zusammen mit ihrem Mann lebte sie immer im Vasaviertel: Zunächst in der Vulcanusgatan 12, irgendwo in Querstraßen verwinkelt, sodass sie merklich an Karlsson vom Dach erinnert, der jederzeit hinter einem Schornsteinhäuschen auftauchen könnte – die Trilogie spielt schließlich in diesem Viertel Stockholms.

Ein weiterer zentraler Ort, der sich in ihren literarischen Werken wiederfindet, ist der Vasapark. Als sie in ihrer Wohnung in der Dalagatan 46 lebte, hat sie all die Geschehnisse in diesem Park gut beobachten können – was sie dann auch in Erzählungen wie „Peter und Petra“ beschreibt.

Um zu sehen, wie Lindgren das unaufgeregte und nüchtern wirkende Vasaviertel verzaubert, können wir erleben, wenn wir das Märchen „Im Land der Dämmerung“ mit einer kleinen Stadtrundreise in Stockholm verbinden:

Die Reise beginnt auf der Nordseite der Odengatan, vor der U-Bahn-Station Odenplan. Der gelähmte Jungen Göran und der winzige Herr Lilienstengel besuchen sich jeden Abend und erleben Stockholm in der Dämmerung. Und zwar fliegend – mit einem Sapzierflug, an der Hand Herrn Lilienstengels.

Genaue Beschreibungen der Stadt mit all seinen Vierteln, Bauwerken, Parks und Brücken folgen, sodass dieses Buch als Stadtführer fungieren könnte. Aber es beschreibt nicht das heutige Stockholm – aber auch nicht das Stockholm von 1949. Sondern ein Stockholm im Dämmerlicht, mit wahrem Märchencharakter.

Zunächst besuchen die beiden das Klaraviertel, das sich gegenüber zur Insel Gamla Stan befindet. Geblieben von den Aussichten Görans und Herrn Lilienstengels ist immerhin die Klarakirche, und genau dort fliegen die beiden hin, um einen kurzen Wortwechsel mit dem Wetterhahn einzuleiten.

Weiter besuchen sie den Kronobergspark, wo die beiden Bonbons von den Bäumen pflücken konnte. Wenn wir es ihnen nachtun wollten, finden wir zwischen den Eichen, Birken und Platanen nur einen einsame Menschen mit Bier und Tüten auf einer Bank. Der Ausblick ist von hier jedoch noch immer hinreißend und ermöglicht einen Blick weit über Stockholms Inseln.

Auch die Klassiker Stockholms erleben Göran und Herr Lilienstengel: Sie erleben noch Abenteuer in der Altstadt, bekommen im Königspalast eine Audienz gewährt, sie statten der Vergnügungsinsel Djurgården einen Besuch ab, um Skansen zu erleben. Wenn wir selbst heute Skansen in der Dämmerung einen Besuch abstatten, werden wir wohl dasselbe fühlen, sehen und spüren wie die beiden es in dem Märchen tun. Alte Gebäude, verwunsche Rosengärten, wundersame Ausblicke, verwinkelte Wege und Ecken, all das hat noch bis heute großes Potential zur Verwunschenheit und Fantasie.

Vielleicht ist es ein Wink Lindgrens – das Glück nicht immer in der Ferne zu suchen, sich nicht von der Einsamkeit überfallen lassen, die einen in der Stadt oft befällt. Mit Fantasie, Lebensfreude und ein bisschen Kindlichkeit ist eine Stadt in ein Märchenreich zu verwandeln.

 

Autor(in): Tanja Brodbeck – tanja.brodbeck@yahoo.de

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