Jobsuche in Schweden (3. Bewerbungen schreiben)

Die deutsche Version von „Amazon“ gibt für das Suchwort „Bewerbung“ im Bereich Bücher 5.292 Treffer aus – die sich alle mehr oder weniger widersprechen. Warum so viele Ratgeber? Ich hab dazu zwei Theorien. 1.: Als Deutsche wollen wir immer alles ganz richtig machen. Also brauchen wir jemanden, der uns sagt, was richtig ist. 2.:Wer kauft 5.292 Ratgeber, wenn in allen dasselbe steht?

Rules, rules, rules!

Das wäre ja nicht schlimm, würden diese Bücher nicht so einen eklig totalitären Ton anschlagen. In jedem Satz klingt unterschwellig mit: beachte das, oder du bist verdammt!!!! Beispiele gefällig?

  • Schicke alle Zeugnisse mit!
  • Frag, welche Zeugnisse gefordert sind!
  • Verwende Sonderbriefmarken für den Umschlag!
  • Die Adresse muss auf den Umschlag aufgedruckt werden, auf keinen Fall geschrieben!
  • Verwende große Bewerbungsmappen, damit der Chef alle deine Unterlagen auf einen Blick hat!
  • Verwende keine schwarzen Bewerbungsmappen!
  • Ruf im Vorfeld bei der Firma an, um Fragen zu stellen und Interesse zu heucheln, äh, zeigen!
  • Verwende kleine Bewerbungsmappen, damit der Chef mehrere Mappen nebeneinander auf den Tisch legen kann!
  • Verwende keine farbigen Bewerbungsmappen!

Bei dem Versuch, das alles zu beachten, fühlt man sich irgendwann wie Asterix in dem Haus, dass Verrückte macht. Und diese Regeln bezogen sich nur auf die äußere Form. Für Anschreiben, Lebenslauf, Foto gibt es noch viel (ich meine VIEL) mehr Regeln.

Regelloses Schweden? Ein Bierdeckel voll Infos

In den Buchhandlungen Stockholms findet man nur wenige Bewerbungsratgeber. Dies trieb mich am Anfang hier schier in den Wahnsinn. Ich neige ein wenig zum Perfektionismus, in Deutschland schickte ich Bewerbungen nicht ab, wenn ich keine Sonderbriefmarke zur Hand, oder Gott bewahre, sie schief aufgeklebt hatte. Und da stand ich nun, ohne klare Regeln, ohne einen Plan. Dann merkte ich: hier weiß niemand so wirklich, wie man sich „richtig“ bewirbt, am wenigsten die Firmen selbst. Die wenigen Regeln, die es gibt, passen auf einen Bierdeckel. Oder in einen Blogbeitrag…

Die äußere Form – schlank

Das schwedische Bewerbungsschreiben besteht aus dem Anschreiben und dem Lebenslauf. Zeugnisse werden auf besonderen Wunsch mitgeschickt. Ansonsten gibt man Referenzen an (dazu später) und bringt seine Zeugnisse zum Vorstellungsgespräch mit.

Die Gretchenfrage für Einwanderer: sag, wie hältst du´s mit der Sprache? Englisch wird verstanden. Aber die Sprache in den meisten Firmen ist schwedisch, Fortbildungen, Meetings, Kaffeeklatsch werden auf schwedisch abgehalten. Umgekehrt signalisiert man mit einer schwedischen Bewerbung, dass man die Sprache beherrscht, und wenn man dieses Versprechen in Telefonat oder Vorstellungsgespräch nicht einlösen kann, hinterlässt man ebenfalls einen schlechten Eindruck. Ich würde davon abraten, eine schwedische Bewerbung zu schicken, wenn man nicht zumindest Grundkenntnisse der Sprache hat- oder das deutlich reinschreiben. Ich habe alle meine Bewerbungen auf englisch geschrieben, bis ich mich am Telefon auf schwedisch verständigen konnte (verständigen, nicht perfekt parlieren)- und ab dann auf schwedisch.

Das Anschreiben – wer bin ich?

Ansonsten entspricht das Anschreiben weitestgehend einer deutschen Bewerbung. Man stellt sich möglichst optimal dar, und vermittelt, dass man für die betreffende Stelle gut geeignet ist. Im allgemeinen kann man bescheidener auftreten als in deutschen Bewerbungen. Dies unterscheidet sich aber von Branche zu Branche. Der Internetauftritt der Firmen gibt hierzu Orientierung. Ein wichtiger Punkt für Auswanderer ist die Verfügbarkeit. Wenn man schon in Schweden lebt, oder mal gelebt hat- rein damit, das ist ein großer Pluspunkt. Wohnt man in der Nähe der Firma und steht jederzeit für ein Gespräch bereit- auch dazu, weiterer Pluspunkt.

Neben der formalen Qualifikation werden soft skills abgefragt, die beliebtesten drei: stresstalig, noggrann, teamspelare.

Stresstalig heißt, dass man belastbar ist und mit Stress gut umgehen kann. Ganz ehrlich: wer das deutsche Arbeitsmarktsystem ohne Dachschaden überstanden hat, erfüllt die schwedischen Erfordernisse mit Auszeichnung.

Noggrann heißt sorgfältig, genau. Hier kommen uns Vorurteile endlich mal zugute. Schweden denken, jeder Deutsche wäre sorgfältig.

Teamspelare heißt, das jemand das Wohl der ganzen Gruppe oder der ganzen Firma im Auge hat. Im Grunde ist es unfair, das unter „soft skills“ abzuhandeln, denn das ist bei vielen Jobs der wichtigste Punkt überhaupt. Wenn ein Chef die Wahl hat zwischen jemandem, der die Qualifikation optimal erfüllt, und jemand, bei dem er das Gefühl hat, dass er gut ins Team passt, wird er sich oft für den zweiten entscheiden.

Der Lebenslauf – Fakten und Referenzen

Für den Lebenslauf hat sich weitestgehend das tabellarische Format in der Amerikanischen Version durchgesetzt (neueste Qualifikationen kommen an den Anfang). Fotos werden nie mitgeschickt, wegen Gefahr von Diskriminierung. Lücken im Lebenslauf sind mittlerweile üblich und kein Problem mehr, aber jede Art von Zusatzaktivität wird in Schweden sehr gerne gesehen. Hat man also einen Sprachkurs, eine Computerfortbildung oder sonst was gemacht, kann man das ruhig in den Lebenslauf schreiben.

Als letzten Punkt des Lebenslaufes stehen die „Referenzen“. Diese ersetzen gewissermaßen die Arbeitszeugnisse. Hierfür bieten sich in erster Linie frühere Arbeitgeber an, alternativ Lehrer oder auch Leute aus Vereinen, in denen man tätig war. Schwedische Referenzen sind wesentlich beliebter als deutsche (man versetze sich hier in die Rolle des Arbeitgebers, der einen Fremden anrufen soll- es ist einfach einfacher in der eigenen Sprache).

Der Versand – und anderes

Und das war schon alles. Man tütet die Bewerbung ein, lose, Bewerbungsmappen existieren nicht und schickt sie los. Viele Firmen nehmen auch – oder nur noch Bewerbungen per Mail an. Alternativ schickt man sie per Mail als Attachment. Als Mailadresse erstellt man sich am besten eine .com oder .se -Adresse. Bei einer .de -adresse ist die Gefahr groß, dass sich der Chef vertippt.

Eine Besonderheit sind standardisierte Bewerbermasken, die viele Firmen auf ihren Webseiten haben. Das bedeutet, man tippt die Informationen einzeln ein, in bis zu acht Seiten lange Formulare, wieder und wieder und wieder. Ganz ehrlich: ich würde lieber 5.292 Ratgeber lesen, als noch einmal so ein Teil auszufüllen.

Egal, wie man die Bewerbung auf den Weg bringt, es beginnt das Warten. Von vielen Bewerbungen hört man nie wieder etwas, oder nach Monaten. Aber eines Tages klingelt das Telefon, und man wird eingeladen – zum Vorstellungsgespräch. Aber dazu- nächstes Mal….

Autorin: Tina Skupin – tskupin32@gmail.com

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