Staatlicher Sprachunterricht –ein Erfahrungsbericht

Allgemein

Allen, die nach Schweden auswandern wollen, um dort zu leben und zu arbeiten, rate ich, schnellstmöglich die Sprache zu erlernen.

Es gibt viele verschiedene Angebote, „svenska som andra språk“ (Schwedisch als zweite Sprache) zu studieren. Mir sind von Freunden die Kurse in der folkuniversitetet empfohlen worden. Die seien sehr kompakt und man lerne unheimlich schnell, da die LehrerInnen auch außerordentlich kompetent unterrichteten. Aber billig sind die nicht: für 10 Kurstage á 3 Stunden sollte man mit mindestens 200 € rechnen.
Doch gerade am Anfang, wenn man noch auf Jobsuche ist und nicht weiß, wie lange man ohne Gehalt auskommen muss, zieht man, wie ich, vielleicht die Gratis-Variante vor. Der schwedische Staat bietet jedem Ausländer, der beim skatteverket (eine Kreuzung aus dem deutschen Einwohnermeldeamt und dem Finanzamt) als Einwanderer gemeldet ist und sich eine Personennummer geholt hat, was sehr unkompliziert und schnell geht, kostenlosen Sprachunterricht.

Zum skatteverket braucht man bloß einen Pass oder Reisepass mitzunehmen, dort ein Formular ausfüllen, dass auch in Englisch verfügbar ist, und sagen, dass man eine „personnummer“ braucht. Ich hatte meine Anmelde-Bescheinigung und personnummer innerhalb einer Woche im Briefkasten und ging damit zum Einstufungstest der vuxenutbildning (Erwachsenenbildung).

Identifikationspapiere, die Personennummer und etwas Zeit sollte man hierfür mitbringen. Alle näheren Informationen, die eventuell städtespezifisch sind, findet man auf der Homepage des skolverket unter vuxenutbildning und dann ist man schon bei svenskundervisning för invandrare (sfi).

Vor dem nivåtest, dem Einstufungstest, der prüft, welche Sprachfähigkeiten der Einzelne mitbringt und auf welchem Level man „eingeschult“ werden sollte, gibt es ein kurzes persönliches Gespräch mit einer Beraterin, auf Wunsch in Englisch.

Meine war sehr nett und fragte mich nach Schulbildung, Berufsausbildung, Interessen, meinen Gründen für die Übersiedlung usw.
Ich machte den etwa zweistündigen Niveautest, verstehendes Lesen, Fragen zu Texten, sowie Aufsätze in Schwedisch und Englisch. Das Resultat wurde mir zugeschickt und ein passender Kurs zugeteilt. Ich begann zwei Wochen später mit dem Unterricht.

Für mich stellte die Sprachschule eher eine Möglichkeit dar, Kontakte zu anderen Menschen aufzunehmen, die in einer ähnlichen Situation wie ich waren. Der Kurs sollte also eher meine sozialen Bedürfnisse befriedigen als meine Sprachkenntnisse erweitern. Ich hatte hier in Deutschland schon ein Jahr lang Schwedisch an der Volkshochschule gelernt und wurde nach dem Test gleich in die Abschlussklasse gesteckt. Natürlich konnte ich immer noch viel dazu lernen, denn schwierige Themen oder komplizierte Sachverhältnisse meisterte ich noch nicht so gut. Auch für meine Aussprache und die Fähigkeit, flüssig zu kommunizieren, war der Kurs sehr hilfreich. Ich lernte, die Grammatik schnell und richtig anzuwenden, mich zu Themen zu äußern, auf die ich zuvor nicht vorbereitet war und sogar ein wenig Slang, denn wie hier sprechen die Schweden im Alltag nicht immer Schulbuch-Schwedisch.

Man sollte, so man ausreichend Zeit hat, an allen Wochentagen am Sprachunterricht teilnehmen. Der fing bei mir morgens um 8 Uhr an und endete um 12 Uhr (30 Minuten Kaffeepause) und ich war (fast) immer anwesend und pünktlich. Man kann aber auch Nachmittagskurse belegen, wenn man das vorzieht.

Schulbücher und eine datakort, die Schlüsselkarte für den PC-Saal und das persönliche Login für die Computer erhält man auf Nachfrage bei der Expedition oder von den Lehrern; Gebühren fallen nicht an, nur kleine Summen werden als Pfand hinterlegt.

Der Vorteil bei einem Kurs wie diesem ist, dass die meisten Teilnehmer in der gleichen Ausgangssituation sind, und das als verbindende Gemeinsamkeit haben, was immer Gesprächsstoff bietet, auch wenn die Herkunft und somit der kulturelle Hintergrund der einzelnen Individuen verschiedener nicht sein könnte. Wir hatten Einwanderer aus Polen, Algerien, Iran, Irak, Libanon, Kuba, Brasilien, Spanien, Vietnam, Japan, Russland, Estland, England, den USA und sicher noch einigen anderen Ländern in der Klasse. Der Altersdurchschnitt lag um die 30, die Jüngste schätzte ich auf 22, der Älteste war 50 Jahre alt. Die meisten kamen wegen ihrer Partner nach Schweden, haben oft eine lange Fernbeziehung hinter sich und geben der Sache nun eine Chance. Natürlich gibt es auch andere Gründe, wie bessere Lebens- oder Berufschancen oder Familienzusammenführung, aber vorherrschend war unter meinen Schulkameraden Liebe die Ursache für die Umsiedlung in ein fremdes Land.
Nach kurzer Zeit hatte ich wenigstens einige lose Kontakte geknüpft und musste in der Pause nicht allein sitzen und einsam mein Pausenbrot mümmeln, während ich vorgab, Zeitung zu lesen.

Um in die nächst höhere Klassenstufe versetzt zu werden, muss man 1.) die für einen persönlich veranschlagte Stundenzahl absolvieren und 2.) einen Test machen. Für jeden Level gibt es eine Prüfung und die letzte ist die „Nationale Prüfung“ (NP), die landesweit anerkannt ist.

Wir übten uns vor allem in Konversations-Fähigkeiten; meist war ein Thema vorgegeben, zu dem wir uns Fragen oder Statements erarbeiteten und mit anderen aus der Gruppe diskutierten. So war ein Thema „Altern in meinem Land“: Ab wann wird man als alt angesehen? Was machen Alte so? Wo wohnen sie? Wer kümmert sich? Gibt es Vorteile, wenn man alt ist? Ich fand es sehr interessant, die verschiedenen Ansichten dazu zu hören. Auch lustig war: „Welche Regeln gibt es in der Gesellschaft deines Herkunftslandes? Hier kamen wir vom Hundertsten ins Tausendste; zur Sprache kam alles zwischen Schulpflicht bis zur Mündigkeits-altersgrenze. Ansonsten mussten wir uns auch mit Grammatik oder Lese- und Rechtschreibübungen befassen, Diktate und Aufsätze schreiben. Es gab sogar Hausaufgaben! Natürlich ist alles freiwillig, wie auch die Anwesenheit, doch wenn man nicht soundso viele Stunden absolviert hat, kommt man nicht in den nächsten Kurs und erreicht damit auch keinen zertifizierten Abschluss.

Des Weiteren bot meine Schule verschiedene so genannte Module an. Das ist Teil des Lehrplans, und soll eher Alltags-orientiertes Wissen vermitteln. Bei uns konnte man zwischen den Themen Staatsbürgerkunde, Pflege, Erziehung und Fürsorge, Einführung in den Arbeitsmarkt und kommunikativem Schwedisch wählen.

Ich belegte Staatsbürgerkunde und habe das nicht bereut. Dieses Unterrichtsmodul bot mir einen besseren Einblick in die schwedische Gesellschaft, was geographische, innenpolitische (Staatsaufbau, kommunales und parlamentarisches Wahlsystem usw.), historische, ökonomische sowie kulturelle Kenntnisse umfasste. Ich fand das größtenteils sehr nützlich und/oder interessant und über die langweiligen Stellen half, dass der Lehrkörper Mats ein begeisterter Erzähler war, der gern unterrichtete und auch mal abschweifte vom genormten Pfad der Lehrplans, kleine private Erlebnisse einflocht, aus seinem reichhaltigen Wissensschatz schöpfte und auf fesselnde Art weitergab. Er war freundlich, geduldig und witzig, ohne zu bemüht zu wirken, also der Typ, mit dem man auch gern mal ein Bier trinken gehen würde. Er organisierte hin und wieder kleine Exkursionen zu wichtigen schwedischen „Institutionen“, wie das skatteverket, was übersetzt Steuerwerk heißt oder zu deutsch Finanzamt, zum riksdag (Parlament) oder auch mal zum Wasserreinigungswerk.

Im Allgemeinen jedoch sind die Lehrer, das Lehrmaterial und die Einrichtung eher dem Preis für den Unterricht angemessen, man kann leider keine hochwertige Ausbildung für null Schul-Gebühren verlangen. Die Klassen können sehr groß werden, besonders in Stockholm, und das Tempo wird den Schwächsten angepasst. Man sollte auf gelegentliche Desorganisation, Fehl- oder Nichtinformation sowie Vorschriften-Reiterei gefasst sein. Besonders, wer selbst glaubt, er sei so weit, dass er ins nächst höhere Level aufsteigen könnte, wird auf Schwierigkeiten stoßen, ebenso bei Herabstufungen oder Prüfungsaufschüben.

Aber alle geben sich große Mühe und sind sehr hilfsbereit und letztlich hängt es auch immer von einem selbst ab, wie viel man aus den Lektionen mitnimmt. Ist man immer gut vorbereitet und hat die Hausaufgaben gemacht, eventuell sogar zu Hause ein wenig wiederholt und geübt, kommt man sehr weit damit. Mitarbeit und Aufmerksamkeit während der Stunden zahlt sich auch beim Spaßfaktor mit den Mitschülern aus. Wir haben sehr viel gelacht miteinander und uns so auch ganz gut kennen gelernt. Seid neugierig! Fragt viel! Sprecht Schwedisch in den Pausen untereinander und wann immer sich sonst Gelegenheit bietet!

Ich habe anstrengende aber wundervolle 12 Wochen in meinem sfi-Kurs verbracht und meinen Abschlusstest mit VG (väl godkänd = gut) abgeschlossen und bin für diese Erfahrungen und Erlebnisse sehr dankbar.

(Autor: Uta Schwarz)

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