Das Jedermannsrecht: Vom achtsamen Umgang mit der schwedischen Natur

Freizeitaktivitäten, Natur

Das Jedermannsrecht gestattet, fremde Wiesen zu betreten.

Naturnahe Flächen: Auch wenn sie jemand anderem gehören, darf man sie nach dem Jedermannsrecht betreten (Foto: Helena Wahlman / imagebank.sweden.se).

Das schwedische allemansrätten oder Jedermannsrecht erlaubt allen Menschen den Aufenthalt in der Natur. Doch das Privileg ist an Pflichten gekoppelt. Dabei gilt es, behutsam mit der Natur umzugehen und Rücksicht gegenüber Mitmenschen und Tieren walten zu lassen. Nicht stören – nichts zerstören, lautet die einfache Faustregel.

In den nordischen Ländern hat das Gewohnheitsrecht uralte Tradition. Bereits in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts kam in Schweden das erste Mal das Wort „allemansrätten“ auf. Doch erst im Jahre 1994 wurde es offiziell: seitdem ist es im schwedischen Gesetzestext geschützt. „Nach dem Jedermannsrecht sollen alle Zugang zur Natur haben“, heißt es dort.

Das Besondere: Das Jedermannsrecht gilt unabhängig vom Schutz der Besitzrechte. Jeder darf sich also am Duft der Blumen, dem Gesang der Vögel, den üppigen Wiesen, den stillen Wäldern und den glitzernden Seen erfreuen, egal, ob ihm das Stück Land gehört oder nicht. Auch, wenn sie im Besitz eines anderen ist, darf man sich dort aufhalten und in begrenzter Form nutzen. Doch ganz so einfach, wie es scheint, ist es nicht. Einfach mal beim Nachbarn durch den Garten zu schleichen ist genauso verboten, wie den Müll im Wald liegen zu lassen. Was genau im Jedermannsrecht inbegriffen ist und welche Rechte und Pflichten daraus entstehen, erklären wir im Folgenden genauer.

Das Jedermannsrecht zum Wandern

Das Jedermannsrecht verbietet, geschützte Pflanzen zu pflücken.

Geschützte Pflanzen am Wegesrand: Das Jedermannsrecht verbietet, sie zu pflücken. Nicht stören, nicht zerstören (Foto: Carl-Johan Utsi / imagebank.sweden.se).

Dem Wanderer erlaubt das Jedermannsrecht, Felder, Wiesen, Wälder oder Gärten zu Fuß, per Fahrrad oder im Winter auf Skiern zu durchqueren. Im Sommer ist man allerdings in der Pflicht, bei Vorhandensein die befestigten Wege zu benutzen. Von selbst versteht sich auch, dass man den Pflänzchen, Schonungen etc. keinen Schaden anrichten darf. Durch Mountainbiking können Schäden verursacht werden, eine besondere Vorsicht ist daher auch hierbei geboten.

Sie dürfen jedoch nicht ohne Erlaubnis ein privates Hausgrundstück queren oder sich darauf aufhalten, denn dies gilt auch in Schweden als Hausfriedensbruch. Unter einem Hausgrundstück ist der engere Bereich um ein Wohn- oder Ferienhaus zu verstehen, der nicht unbedingt eingezäunt sein muß. Hier haben die Besitzer den berechtigten Anspruch, ungestört zu sein. Ist das Haus nicht vor Einblicken geschützt, muss es in besonders großem Abstand passiert werden. Und keinesfalls darf der Grundstückseigentümer in seinen Tätigkeiten behindert werden.

Das Jedermannsrecht zum Reiten

Von Reitern wird besondere Vorsicht verlangt, da das Flurschadenrisiko hoch sein kann. Dies gilt vor allem für das Reiten in der Gruppe. Es ist verboten, auf gekennzeichneten Trimm-dich-Pfaden, Loipen, Wanderwegen oder über weichen, empfindlichen Untergrund zu reiten. Eingefriedetes Weideland darf nur überquert werden, wenn dabei weder die Umzäunung beschädigt, noch das Vieh in irgendeiner Weise gestört wird. Vergessen Sie nie, die Gatter wieder zu schließen, damit die Tiere nicht entlaufen können.

Das Jedermannsrecht für Motorfahrzeuge

Das Allemansrätt gilt nicht für Motorfahrzeuge.

Das Allemansrätt gilt nicht für Motorfahrzeuge. Trotzdem ist es an gewissen Stellen möglich, den Wohnwagen über Nacht zu parken (Foto: Per Pixel Petersson / imagebank.sweden.se).

Verboten ist es, mit Auto, Wohnmobil, Motorrad, Moped oder anderen Motorfahrzeugen im Gelände zu fahren: Es gibt also kein „motorisiertes Jedermannsrecht“ und auch keine Ausnahmeregelung. Auch Privatstraßen und -wege sind für solche Fahrzeuge gesperrt. Ein Verbot ist durch Schilder mit Aufschriften wie „Förbud mot trafik med motordrivet fordon“, „Enskild väg“ oder auf andere Weise gekennzeichnet. Das Parken am Straßenrand ist im Allgemeinen erlaubt, solange dabei nicht gegen Verkehrsregeln verstoßen wird, Grundeigentümer gestört werden oder Schaden an Grund und Boden entsteht.

Das Jedermannsrecht zum Angeln und Jagen

Angeln und Jagen fällt nicht unter das Jedermannsrecht. Trotzdem ist an den Küsten und in den fünf größten Seen (Vänern, Vättern, Mälaren, Hjälmaren und Storsjön) das Posenfischen und das Fischen mit bestimmen anderen Handgeräten frei gestattet, wobei das Lachsangeln an der Küste Norrlands hiervon ausgenommen ist. An den übrigen Gewässern braucht man einen Angelschein („fiskekort“). Informieren Sie sich rechtzeitig über die lokalen Bestimmungen. Lassen Sie niemals Angelleinen oder -haken in der Natur zurück, diese können zu qualvoll-tödlichen Fallen für Tiere werden.

Lassen Sie Baue, Nester und Nisthöhlen sowie Jungtiere unbehelligt. Die Mitnahme von Vogeleiern ist streng verboten, der Tatbestand wird als Wilderei gewertet. Alle

Das Jedermannsrecht reglementiert in Schweden auch den Wassersport.

Das Jedermannsrecht reglementiert in Schweden auch den Wassersport (Foto: Johan Willner / imagebank.sweden.se).

wildlebenden Säugetiere und Vögel stehen unter Naturschutz und dürfen nur gemäß den Bestimmungen des schwedischen Jagdgesetzes von Jagdscheininhabern bejagt werden.

Das Jedermannsrecht zum Baden

Sie können jederzeit baden. Dies gilt jedoch nicht für Haus- und Ferienhausgrundstücke oder Gebiete mit behördlichem Zutrittsverbot, z.B. Vogel- oder Robbenschutzgebiete. Im Übrigen gelten dieselben Regeln wie beim Camping.

Das Jedermannsrecht im Boot

Seen, Fließgewässer und Meere dürfen mit Booten befahren werden. Beachten Sie allerdings lokale Vorschriften wie z.B. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Zutrittsverbote o.ä. Von Motorbootfahrern wird besondere Rücksichtnahme erwartet. Das Fahren mit Wasser-Skootern stört Mensch und Tier über Gebühr und schädigt Fauna und Flora. Eine Benutzung von Wasser-Skootern ist deshalb in Schweden generell verboten; Ausnahmen gelten für wenige, von den Provinzialregierungen freigegebene Gewässerabschnitte. Nähere Informationen erteilt die jeweilige Provinzialregierung (Länsstyrelsen). Es ist außerdem erlaubt, eine Nacht mit einem Boot an fremden Ufern anzulegen und an Land zu gehen. An Privatstegen ist es wiederum nur in Notfällen gestattet.

Das Jedermannsrecht beim Camping

Das Jedermannsrecht erlaubt das Campen in der freien Natur.

Campen in der freien Natur: Dieser Traum wird durch das Jedermannsrecht wahr (Foto: Ulf Lundin / Imagebank.sweden.se).

Dem Einzelnen ist es erlaubt, in Schwedens Natur ohne Einwilligung des Grundbesitzers eine Nacht zu zelten (in dünn besiedelten Gegenden sogar für mehrere Nächte), sofern sich der Standort nicht auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche oder in der Nähe eines Wohn- oder Ferienhauses befindet. Gruppen hingegen benötigen zum Lagern und Zelten in jedem Fall die Erlaubnis des Grundeigentümers. Wollen Sie in Sichtweite eines Hauses zelten oder länger als eine Nacht an einem Standort bleiben, müssen Sie ebenfalls die Erlaubnis des Eigentümers einholen. Besondere Rücksichtnahme ist beim Campen mit Wohnwagen oder Wohnmobil geboten. Am besten, Sie nutzen den hohen Komfort der naturnahen schwedischen Campingplätze – so vermeiden Sie Konflikte mit Grundeigentümern.

Wenn Sie die Zelte wieder abbrechen, muss der Lagerplatz so zurückgelassen werden, wie er vorgefunden wurde: sauber! Sie dürfen in der Natur also keinerlei Unrat zurücklassen. Zudem bilden Glas, Dosen und Verschlüsse eine Gefahr für Mensch und Tier. Auch können Plastiktüten bei Tieren zu qualvollem Verenden führen, wenn sie mit der Nahrung aufgenommen werden. Und: Stellen Sie niemals Ihre Abfalltüte neben einen vollen Abfallbehälter! Dies gilt besonders für das Zurücklassen von Abfall. Dieses ist absolut verboten, da sich Tiere an Scherben oder verschlucktem Müll verletzen können.

Das Jedermannsrecht zum Feuer machen

Das Jedermannsrecht erlaubt auch, Feuer zu machen.

Pilze sammeln, ja. Feuer machen, naja… Das Jedermannsrecht hat wichtige Einschränkungen, die zu beachten sind (Foto: Ulf Lundin / imagebank.sweden.se).

Lagerfeuer sind erlaubt, solange keine Flächen- oder Waldbrandgefahr besteht. Bei Trockenheit wird ein allgemeines Feuerverbot erlassen. In Naturreservaten und Nationalparks sind Lagerfeuer meist gänzlich verboten. Erkundigen Sie sich daher vor einem Outdoor-Aufenthalt im nächstgelegenen Touristenbüro! Löschen Sie Ihr Feuer sorgfältig, bevor Sie Ihren Lagerplatz verlassen. Sollte sich Ihr Feuer ausbreiten, haften Sie allein für den entstehenden Schaden! Machen Sie niemals Feuer auf Felsen oder Klippen. Die Hitze läßt diese bersten und es entstehen nicht wieder gut zu machende Schäden.

Das Jedermannsrecht zum Sammeln und Pflücken

Keine große Wandertour ohne Wegzehrung! Dabei sollte man mit den Früchten der Natur behutsam umgehen. Erlaubt ist es hingegen, wilde Blumen und Beeren zu pflücken, Pilze zu sammeln und herabgefallene Zweige und Reisig aufzulesen. Für unter Naturschutz stehende Arten gilt dies nicht. So sind beispielsweise in Schweden alle Orchideenarten geschützt. Informieren Sie sich bitte in den örtlichen Touristenbüros.

Es ist verboten, Äste, Zweige, Laub, Rinde, Eicheln, Nüsse oder Harz von lebenden Bäumen oder Sträuchern zu entnehmen, abzubrechen oder abzureißen. Selbstverständlich ist es erst recht verboten, lebende Bäume oder Sträucher zu fällen.

Das Jedermannsrecht zum Umgang mit Hunden

Nach dem Jedermannsrecht darf Ihr Hund Sie in die Natur begleiten, allerdings herrscht vom 1. März bis zum 20. August Leinenzwang. In dieser Zeit benötigen die Wildtiere absolute Ruhe; selbst der friedlichste Hund kann dann durch seine bloße Anwesenheit großen Schaden anrichten. Auch in der Zeit ohne Leinenzwang muss der Hund so beaufsichtigt werden, dass er weder Mensch noch Tier stört noch ihnen Schaden zufügt.

© Schwedisches Staatliches Amt für Umweltschutz.

(Mitautor: Erik Günther)

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