Miffo – frisch getraut ist halb geschieden

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Miffo

Hollywood hat das Motiv „Märchenprinz und Aschenbrödel“ in allen möglichen modernen Varianten reichlich ausgeschlachtet. Doch auch der schwedische Regisseur Daniel Lind-Lagerlöf weiß sich dieser Geschichte zu bedienen, und zwar für eine spritzig-bissige Sozialparodie. Der Prinz ist ein braver Priester namens Tobias (Jonas Karlsson) , der sich sofort nach seiner Weihe in eine ärmliche Trabantenstadt versetzen lässt. Seinen Wunschtraum, durch gute Werke sein Leben und das Leben anderer zu bereichern, nimmt aber niemand ernst – am allerwenigsten seine reichen versnobten Eltern und seine oberflächliche Exfreundin.

Seine wahre Märchenprinzessin, Carola (Livia Millhagen), sitzt im Rollstuhl, lebt von Sozialhilfe und ist mit Ende 20 noch gezwungen, bei ihrer ungehobelten Mutter und dem ebenso niveaulosen Stiefvater zu wohnen. Trotzdem erscheint sie ihm als rettender Engel und als einzige Person im ganzen Viertel, die seine Botschaft von Nächstenliebe wahrnehmen will – sei es auch nur, weil sie sich von der Kirche finanzielle Hilfe erhofft. Andere Beschäftigungen als Kettenrauchen, aufreizende Outfits und ihren derben, sarkastischen Humor scheint sie zunächst nicht zu haben; doch Tobias entdeckt sie sehr schnell als offene, witzige und vor allem attraktive Frau.

Konflikte sind absolut vorprogrammiert: Die soziale Kluft einerseits zwischen Arm und Reich und andererseits Behindert und Nichtbehindert erscheint allen Beteiligten zu groß. Die Familien und Freunde beider Partner dulden nur eine Beziehung mit einer vom Status her angemessenen Person und versuchen, das „Paar“ auseinander zu bringen, bevor die Beziehung von Tobias und Carola überhaupt richtig angefangen hat. Argumentiert wird dabei u.a. mit der problematischen Klischeevorstellung, dass man mit einer behinderten Partnerin keine Familie gründen könne und sie zeitlebens pflegen müsse.

Diesem Stereotyp steht die souveräne, sportliche und wortgewandte Carola zwar absolut entgegen (und weiß auch auf verschiedenste Weise mit der landläufigen Meinung über Behinderte zu spielen und sie humorvoll zu kommentieren) – aber die gesellschaftlichen Zwänge sind letztlich stärker. Märchenprinz und Aschenbrödel verloben sich jeweils mit einem sozial anerkannten Partner. Allerdings: Ein Blick in die Gesichter der sehr lebendigen Hauptcharaktere verrät, dass der Film so noch nicht zu Ende gehen kann…

Filmkritiker haben ja des Öfteren etwas gegen klischeebeladene Streifen. Doch im Fall von „Miffo“ (der Titel ist ein seltenes schwedisches Wort für „Freak“) sorgen die bekannten und oft wirklichkeitsfernen Vorstellungen von sozialen Gruppen gerade für die Komik und den ernsten Hintergrund. Der Priester als barmherziger Möchtegern-Samariter, die scheinbar perfekte Frau (Tobias´ nichtbehinderte Exfreundin) als „Barbiepüppchen“, Behinderte als Unschuldslämmer und ewig von anderen Abhängige, Sozialarbeiter als komplett weltfremde und falsche Menschen, und Arbeitslose als freche, nikotinsüchtige Nutznießer – all diese Stereotype bekommen in „Miffo“ ihren Gastauftritt, werden für Slapstick benutzt, ohne Witze tatsächlich auf Kosten der jeweiligen Personengruppen zu machen, und hinterfragen auf intelligente Weise menschliche Grenzen und bekanntes Gedankengut. Die Rahmenhandlung selbst erscheint teils recht berechenbar, doch die vielen unerwarteten Parodien machen Miffo zu einem klugen, aber nicht belehrenden, ungewöhnlichen, aber doch mainstreamtauglichen und vor allem kurzweiligen Film.

(2003, Daniel Lind-Lagerlöf)

(Autor: Friederike Hesselmann)

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