Ingmar Bergman – Schwedens berühmtester Filmregisseur

Das ist Schweden, Schwedisches Fernsehen, Wissenswertes

Ingmar Bergman wuchs in einem sehr strengen protestantischen Pfarrhaus als mittleres Kind zwischen einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester auf. Er fühlte sich dort sehr unwohl. Immer wieder kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Vater, deren konservative Ansichten und christlich geprägte Moralvorstellungen er nicht teilte. So schreibt Bergman selbst über seine Kindheit:

„Eins der Gefühle, an die ich mich aus meiner Kindheit am stärksten erinnern kann, ist gerade die Demütigung; gedemütigt zu werden, in Worten oder Handlungen oder Situationen kleingemacht zu werden [….] Eine ganze Erziehung ist doch eine Demütigung und war es in meiner Kindheit in noch höherem Grade.“1

1937 verlässt Bergman sein Elternhaus, um in Stockholm Literatur- und Kunstgeschichte zu studieren, wendet sich jedoch alsbald dem Theater zu. Zeit seines Lebens ist das Theater neben dem Film Bergmans zweite Leidenschaft. So führt er während des Studiums Regie am Amateurtheater und schreibt Bühnenstücke, um schließlich 1944 als Schwedens jüngster Theaterleiter zum Chef des Stadttheaters Hälsingborg berufen zu werden. Während er im Winter Schauspiele für das Theater einstudiert, dreht er im Sommer Filme.

Nachdem Bergman fünf Filme inszeniert hatte, die auf literarischen Vorlagen von anderen Autoren basierten, und zwei Originaldrehbücher geschrieben hatte, entwirft und realisiert er 1948/1949 seinen ersten eigenständigen Film „Gefängnis“ („Fängelse“). Dieser düstere Film handelt von der „Hölle auf Erden“. Ein junger Autor, dessen Ehe ihn an den Rand des Selbstmordes treibt, wird von einem Film Direktor beauftragt, ein Drehbuch über seine Liebesbeziehung zu einer Prostituierten zu verfassen. In einem alten Dachstuhl versuchen die beiden „Liebenden“ alsdann, ihre Kindheit zu rekapitulieren. Schließlich schläft die Prostituierte ein und wird in einer Serie von Träumen, Alptraumen und wirklichen Begebenheiten mit der sadistischen Grausamkeit ihres Liebhabers konfrontiert.

Bergmans erster Film offenbart bereits die zentralen Themen wie Menschliche Beziehungen, Verzweiflung, Tod, Sex und Glaube, mit denen sich Bergman im Laufe seiner Filmkarriere beschäftigt. Außerdem enthält er bereits die für Bergman so typische Darstellung von Träumen und Halluzinationen, mit deren Hilfe er das teils unbewusste Innenleben seiner Protagonisten offen legt. Ferner zeichnet sich bereits ab, dass Bergman die Handlung seiner Filme ganz in der Tradition des skandinavischen Theaters auf zentrale Konflikte und einige wenige Figuren konzentriert, über die nochmals innerhalb des Films reflektiert wird. So beginnt und schließt der Film mit einer Diskussion über die Frage, ob man einen Film über die Hölle drehen könne. Auch kommt in dem Film eine Stummfilmposse zur Vorführung, die das Thema des ganzen noch einmal spiegelt. Was Bergmans „Teufels- oder Höllenglaube“ betrifft, der auch in seinen späteren Filmen wie in dem Film „Das Siebente Siegel“ eine wichtige Rolle spielt, äußert sich Bergman folgendermaßen:

„Nun wollen wir die Geschichte mit dem Teufel ein für alle Mal  klarstellen […] Die Hölle ist für mich immer ein suggestives Milieu gewesen, aber ich habe nie etwas anderes gemeint, als dass sie wirklich auf der Erde war. Die Hölle ist von den Menschen geschaffen worden und sie existiert auf der Erde. Was ich geglaubt habe, und zwar lange geglaubt habe, war, dass eine virulente Bosheit existiert, die in keiner Weise von Milieu oder Erbfaktoren abhängig ist. Wir können es die Erbsünde nennen oder was auch immer – eine aktive Bosheit, die der Mensch im Unterschied zu den Tieren ganz allein besitzt […] Als Verkörperung dieser virulenten, ständig existierenden und unbegreiflichen, für uns unfassbaren, unerklärlichen Bosheit habe ich eine Person geschaffen, die Teufelszüge der mittelalterlichen Moralität trägt.“2

Es folgen weitere Filme wie die „Sehnsucht der Frauen“ („Kvinnors Väntan“ 1952) und „Die Zeit mit Monika“ („Sommaren med Monika“ 1952). Doch erst mit der 1955 erschienenen romantischen Komödie „Das Lächeln einer Sommernacht“ („Sommarnattens leende“), für den Bergman bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet wird, gelingt Bergman der große Durchbruch. Die Komödie spielt in einer kleiner schwedischen Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts und erzählt von den Irrungen und Wirrungen zwischen den Geschlechtern. Am Ende des witzigen Verwirrspiels finden Männer und Frauen zu den für sie geeigneten Partnern oder Partnerinnen. So bekennt sich der Graf zur Gräfin, der Richter entscheidet sich letztendlich gegen seine junge Gemahlin für die schon immer von ihm geliebte Schauspielerin und der Knecht verspricht der Zofe am Ende des Films feierlich, sie endlich zu heiraten.

In den darauffolgenden Filmen schwenkt Bergmans Interesse wieder um. Nun steht die verzweifelte Suche nach einem Sinn im Leben bzw. nach einem Gott im Vordergrund. So handelt der im Mittelalter spielende Film „Das Siebente Siegel“ („Det sjunde inseglet“ 1956) von einem Ritter, der, nachdem er zehn Jahre im Heiligen Land gegen die Ungläubigen gekämpft hat, vergeblich nach einem Gott sucht. In der von Pest heimgesuchten Heimat erscheint ihm stattdessen leibhaftig der Tod, der ihn zu einem Wettkampf auf dem Schachbrett überredet, den der Ritter natürlich verliert. Auch in dem ausgezeichneten Film „Wilde Erdbeeren“ („Smultronstället“ 1957) begibt sich ein alternder Professor, der von dem Stummfilmregisseur Viktor Sjöström gespielt wird, auf eine Reise in die Vergangenheit, um am Ende erkennen zu müssen, dass es seinem Leben an Liebe gefehlt hat. Formvollendet unterstreicht Bergman hierbei die Einsamkeit des Professors, indem er dessen alptraumhaft eingeengtem Leben die Schönheit der freien schwedischen Natur in den Erinnerungssequenzen gegenüberstellt. Ebenso sucht der reiche Bauer in dem Film „Die Jungfrauenquelle“ („Jungfrukällan“ 1959) nach Erlösung, nachdem er die Vergewaltiger seiner Tochter auf grausame Weise getötet hat. Mit der offen dargestellten Vergewaltigungsszene erwirbt Bergman den Ruf eines Tabubrechers in Sachen Sexualität. Anders als die radikalen Vertreter des sogenannten schwedischen Films, in deren Filmen Sexualität als Befreiung und lustvolles Vergnügen dargestellt wird, erscheint Sexualität in Bergmans Filmen jedoch als eines der Gefängnisse, in denen die Menschen eingesperrt sind.

Die zu Beginn der 60er Jahre erschienene religiöse Trilogie „Wie in einem Spiegel“ („Såsom i en spegel“ 1960/1961), „Licht im Winter“ („Nattvardsgästerna“ 1961) und „Das Schweigen“ („Tystnaden“ 1962) bildet hierbei Bergmans krönenden Abschluss dieser Thematik. Bergman selbst erklärt, dass er in diesen Filmen die Alpträume seiner Jugend, die furchterregenden Instanzen des Vaters und des von ihm vertretenen Gottes, bewältigt habe.

Mit dem Film „Persona“ (1966) verabschiedet sich Bergman schließlich von dem Realismuskonzept seiner früheren Filme und präsentiert einen neuen „Surrealismus“. Auch thematisch orientiert sich Bergman neu, indem in seinen Filmen von nun an die Psyche von Frauen im Mittelpunkt steht. Zu Beginn des Films werden eine Serie von nicht zusammenhängenden Bildern gezeigt, die wie eine kunstvoll zusammengestellte Collage wirken und den Zuschauer darin erinnern sollen, dass es sich hierbei um einen Film, also pure Fiktion, handelt. Anschließend entfaltet sich die richtige Handlung. Eine Schauspielerin, die mitten auf der Bühne einen Lachanfall bekommt, beginnt zu schweigen. Auf Empfehlung ihrer Ärztin beginnt sie in der Obhut einer Krankenschwester eine Kur auf dem Land. Zwischen den beiden Frauen entbrennt ein erbitterter Kampf um ihre eigene Identität, der durch das Verschwimmen der Perspektiven und von Traum und Realität für den Zuschauer greifbar wird.

Anfang der 70er Jahre werden seine Filme wieder zunehmend realistischer. Mit der schonungslos ehrlichen Fernsehserie „Szenen einer Ehe“ („Scener ur ett Aektenskap“ 1973), von der es auch eine konzentriertere Kinofassung gibt, beschränkt sich Bergman auf den Rahmen eines bürgerlichen Dramas. Minutiös erzählt Bergman die Etappen einer Ehe, die von anfänglicher Harmonie bis zur Trennung reichen.

Zwischen 1976 und 1981 lebt und arbeitet Bergman in München, nachdem er in Schweden zu Unrecht wegen Steuerhinterziehungen angeklagt wurde. Während er am Residenztheater in München inszeniert, dreht er die Filme „Das Schlangenei“ („Ormens ägg“ 1977) und „Aus dem Leben der Marionetten“ („Ur marionetternas liv“ 1980).

1982 dreht Bergman den Fernsehfilm „Fanny und Alexander“, der in konzentrierterer Fassung ins Kino kommt. Der als klassisches Drama konzipierte Film erzählt die Geschichte der gutbürgerlichen Theaterfamilie Ekdahl, die im Jahre 1907 in Uppsala lebt. Hierbei steht, wie der Titel des Films bereits offenbart, das Geschwisterpaar Fanny und Alexander im Mittelpunkt. Nachdem ihr leiblicher Vater stirbt, heiratet ihre Mutter einen Bischof, der zum Alptraum für das Geschwisterpaar wird.

Mit diesem Film verabschiedet sich Bergman schließlich von der Kinoleinwand und dreht ab sofort nur noch Fernsehfilme. Bergman selbst kommentiert seinen Rückzug folgendermaßen:

„Ich ziehe mich zurück, bevor meine Schauspieler oder Mitarbeiter das Monstrum entdecken und von Ekel oder Mitleid ergriffen werden […] Ich nehme meinen Hut, weil ich noch immer das Hutregal erreiche, aus eigener Kraft gehen kann, obwohl die Hüfte schmerzt. Die Kreativität des Alters ist wahrlich nicht selbstverständlich. Sie wirkt periodisch und vorübergehend, etwa so wie die still abnehmende Sexualität.“3

Abschließend stellt sich die Frage, was genau Bergmans Filme so außergewöhnlich und einzigartig macht. Meiner Meinung nach lassen sich hierfür mehrere Gründe anführen. Zum einen bestechen seine Filme durch die hervorragenden Leistungen seines festen Schauspielensembles, das sich aus Ingrid Thulin, Harriet Andersson, Bibi Andersson, Liv Ullmann, Gunnar Björnstrand, Max von Sydow und Erland Josephson zusammensetzt. Erst durch deren intensives Spiel scheinen Bergmans Figuren lebendig zu werden und vor allem authentisch zu wirken. Des Weiteren faszinieren Bergmans Filme durch die hervorragendene Leistung seines Kameramannes Sven Nykvist, der nicht zu Unrecht zwei Mal den Oscar für „Beste Kamera“ erhalten hat. Wie kein anderer schafft es Nykvist, Stimmungen und Emotionen durch seine geschickte Lichtkunst einzufangen und ästhetisch anspruchsvolle Bilder zu gestalten. Ferner konzentriert Bergman ganz in der Tradition des skandinavischen Theaters die Handlung auf einige wenige Figuren und zentrale Konflikte, die sich innerhalb des Films kunstvoll entspinnen. Die Großaufnahme von Gesichtern wird hierbei zu seinem Markenzeichen Bergmans. Abschließend ist es wohl auch die Wahl der Themen, die Bergmans Filme so wertvoll machen. Wie kein anderer erforscht er die ausweglose Einsamkeit der Menschen und ihre Unfähigkeit, miteinander sinn- und vor allem liebevoll umzugehen.

Literatur
Bergman, Ingmar (1987): Laterna Magica: Mein Leben. Übersetzt von Hans-Joachim Maas. Hamburg: Alexander Verlag.
Björkman, Stig/Manns, Torsten/Sima, Jonas (1976): Bergman über Bergman: Interviews mit Ingmar Bergman über das Filmemachen. Übersetzt von Wolfgang Butt, Justus Grohmann und Christian Henning. München: Carl Hanser Verlag.
Gregor, Ulrich/Patalas, Enno (1976): Geschichte des Films 2 1940-1960. Hamburg: Rohwohl Taschenbuch Verlag.
Koebner, Thomas (1999): Filmregisseure: Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. Stuttgart: Philipp Reclam junior.
Kogel, Jörg-Dieter (Hrsg.) (1990): Europäische Filmkunst: Regisseure im Porträt. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

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(Autor: Katrin Raschke)

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