Der kustväg – eine Perle an Ölands Westküste

Fahrradfahren, Landschaften, Natur

Etwa 16 Kilometer nördlich von Borgholm beginnt in Äleklinta an der Westküste der schwedischen Urlaubsinsel Öland eine alte Küstenstraße. Der schmale Kiesweg zählt zu Schwedens schönsten Auto- und Fahrradwegen. Auf einer Landkarte aus dem 17. Jahrhundert wurde der Küstenweg bereits eingezeichnet und war zu dieser Zeit wahrscheinlich eine der wichtigsten Verbindungen zwischen den kleinen Orten an der nördlichen Westküste. Wahrscheinlich ist er aber noch wesentlich älter. Der Weg führt fast ununterbrochen direkt an der Küste entlang und bietet ständig einen fantastischen Blick auf den Kalmarsund und das der Insel gegenüberliegende Festland von Småland. Auf der anderen Wegseite offenbart sich einem vornehmlich beweidete Alvarlandschaft, wie man sie eigentlich vom Süden der Insel her kennt. Etwa 30 Kilometer legt man als Tagestourist zurück bis man zum weiter nördlich befindlichen Endpunkt der Wegstrecke gelangt, gelegen an der kleinen Ortschaft Byrum.

Nicht nur der fantastischen Aussicht wegen lohnt sich die Fahrt, denn auf der Strecke liegen zudem einige Sehenswürdigkeiten, für deren Besichtigung man durchaus einen Stopp einplanen sollte. Nur wenige Kilometer hinter Äleklinta befindet sich zum Beispiel etwas versteckt auf der linken Seite des Weges Bruddesta, ein ehemaliger Fischerort vom Anfang des 19. Jahrhunderts, der für den Fischfang allerdings heutzutage an Bedeutung verloren hat. Vorhanden sind hier noch 9 schilfgedeckte Hütten und Bootshäuser aus Ölandkalkstein, die seit 1985 als historische Gebäude geschützt sind. Sie befinden sich in Privatbesitz. Des Weiteren sind dort auch alte Netzgärten und Slipanlagen zu sehen und ein Pålpråm-Boot, das einst speziell für den Fang von Aalen Anwendung fand.

Auch wenn sich der Besucher Ölands vielleicht schon über die merkwürdigen Steinstapel gewundert hat, die hier und da auf der Insel zu sehen sind, so wird er aber vermutlich aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn er die tausenden Steinmännchen erblickt, die in der Nähe von Lofta plötzlich direkt neben dem kustväg auftauchen. In dieser Gegend befinden sich ausgewöhnlich viele flache mittelgroße Steine, die förmlich zum Bau solcher Skulpturen einladen. Etliche Menschen in Schweden glauben zwar an Trolle und diese Steinmännchen sollen sie letztendlich vor diesen Fabelwesen beschützen, aber viele Zeitgenossen sind auch nur davon überzeugt, dass es Glück bringt, ein ganzes Steinmännchen fertigzustellen. Andere wiederum lassen sich zum Bau bewegen, weil sich schon ein paar dieser Skulpturen in der Gegend befinden und dadurch ein Nachahmungseffekt einsetzt. Wie dem auch sei, in Lofta scheinen die Steinskulpturen geduldet zu werden, wobei es sich auch nicht immer um die besagten Männchen handeln muss. Selbst Gewölbe und gebäudeähnliche Bauformen sind mitunter dort zu finden. An anderen Stellen Ölands macht der Anblick dieser Steinstapel den einen oder anderen Einheimischen dann doch schon eher wütend, verunstalten sie aus deren Sicht doch eher die schöne Umgebung und werden nicht selten mit gezielten Fußtritten wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückbefördert.

Die Scheuermühle von Jordhamn ist eine weitere Sehenswürdigkeit auf der Strecke. Im Jahr 1905 wurde diese Scheuermühle zum Planschleifen von Kalkstein erbaut. Sie ist die einzige noch erhaltene Scheuermühle in Schweden und verkürzte damals die Bearbeitung der Kalksteinplatten von zuvor einer Woche auf nur einen Tag. Die mit Windkraft angetriebenen Scheuermühlen ersetzten nämlich die bis 1850 betriebene Scheuerwanderung, die vorher mit Hilfe von Ochsen und Pferden das gleiche Ziel verfolgte, indem die an einem Göpel kreisförmig ausgelegte Kalksteinplatten letztendlich durch die Kraft und ausdauernde Bewegung dieser Haustiere abgeschliffen wurden. Eine dieser Scheuerwanderungen ist gleich gegenüber der Scheuermühle erhalten geblieben. Die Scheuermühle von Jordhamn selbst war noch bis 1938 in Betrieb.

In wohl keinem schwedischen Reiseführer fehlen Byrums raukar. Bei den Rauken handelt es sich um Kalksteingebilde, die durch Erosion der weicheren Kalksteinsedimente infolge von Meereswellen entstanden sind. In der Nähe von Byrum befinden sich etwa 120 solcher Rauken, einigen unter ihnen weisen eine Höhe von etwa 4 Metern auf. Durch die erosionsbedingten Abtragungen bilden sich aber nicht nur diese ungleichförmigen Kalksteingebilde an den Meeresküsten, an den Rauken von Byrum beförderte dieser natürliche Vorgang in der Vergangenheit auch zahlreiche Fossilien ans Tageslicht, wie Trilobiten (Gliederfüßer) und Ortoceratiten (Kopffüßer), die man leicht im Gestein entdecken kann. Byrums raukar sind aber auch für Landschaftsfotografen ein beliebtes Ausflugsziel, bieten sie doch eine grandiose Kulisse für spektakuläre Sonnenuntergänge.

Die meisten Touristen zieht es heutzutage zwar immer noch zu den bekannten Sehenswürdigkeiten auf Öland oder auch zum belebten Campingplatz in Böda Sand, so dass der alte Küstenweg vielleicht immer noch zu den wenigen Geheimtipps gezählt werden kann. Aber seit 2020 ist auch ein deutlicher Anstieg des Fahrzeugverkehrs auf dem nördlichen Küstenweg zu verzeichnen. Einige Fahrzeuge verlassen den Weg und schädigen dadurch die angrenzende Flora. Leider werden auch immer mehr Wohnmobile unerlaubt abseits des Weges zum Übernachten aufgestellt. Aus diesem Grund weist die Verwaltung der Provinz Kalmar län darauf hin, besonders achtsam mit der Natur umzugehen und die Beschilderungen und Verbote in diesem Gebiet zu befolgen.

Autorin: Ramona Heuckendorf

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