Was zur Hölle ist Lounge Metal? – Die Göteborger Band „Hellsongs“

Hellsongs

Hart, härter, am härtesten - das schwedische Trio "Hellsongs" nimmt's leicht. (Foto: privat)

So traulich soll die Hölle sein, so schwerelos das Schwermetall? Wo doch die musikalische Stahlwerkerei – von hartem Rock bis hin zum Thrash – traditionell mit laut und Stärke, mit Leder und Kluft, mit Schweiß in Strömen und allerlei Härteposen verbunden ist? Sollte all das sich wirklich ungestraft durch akustische Gitarre, Cello und Geigen, ein Klavier und Sängerinnen mit samtweicher Stimme ersetzen lassen, obendrein noch unter Auslassung der obligatorisch riesigen Drums? – Gewagt und von Erfolg belohnt wurde ein solches Experiment vor acht Jahren von der Göteborger Band „Hellsongs“, die gerade mit neuer Frontfrau auf großer Tour ist.

Möglicherweise hat es Kalle Karlsson (git), Johan Bringhed (p) und Harriet Ohlsson (voc) damals im Jahr 2004 selbst überrascht, wie enthusiastisch ihr Projekt, Metal-Songs im Singer-Songwriter-Gewand nachzuspielen, vom – anfangs kleinen – Publikum aufgenommen wurde. Die Idee trug jedenfalls rasch Früchte, als neben Mundpropaganda auch Radio und Fernsehen das Trio bekannt machten; vor allem die Interpretation des Iron Maiden-Klassikers „Run to the hills“ schürte die Popularität enorm. Die erste EP erschien 2006 und trug den schlichten Titel „Lounge“ – das neue Genre des Lounge Metal verbindet sich seitdem mit dem Namen der Band. Als Songlieferanten dienten neben vielen anderen Motörhead, Metallica und Judas Priest.

Den internationalen Durchbruch brachte die CD „Hymns In The Key Of 666“, auf der die Gruppe u.a. AC/DC- und Slayer-Songs verarbeitete; zugleich kam aber auch das Ende der Zusammenarbeit mit Harriet Ohlsson, die eine Solokarriere startete. Mit der neuen Sängerin Siri Bergnéhr veröffentlicht man 2010 „Minor Misdemeanors“, was – bei gleichem Konzept – eine stimmlich veränderte, aber nicht weniger erfolgreiche Phase einleitet, bis wiederum ein plötzliches Ereignis alle Pläne umwirft, als Siri krankheitsbedingt aufgeben muss. Kurz darauf verkündete die Gruppe ihre Auflösung, ist aber nun (CD 2012: „Long Live Lounge“) mit der neuen Sängerin My Engström Renman wieder aktiv.

Hellsongs haben sich einen Ruf als ein Liveact erspielt, der sein Publikum zu begeistern weiß, ein Publikum meist, das keine Extreme liebt, die fröhlich-freundliche Art der drei Schweden auf der Bühne aber umso mehr. Ob den Zuhörern dabei immer die Originale der Songs bekannt sind oder gar gefallen würden, dürfte kaum eine Rolle spielen (wenn sich auch der Spaß durch Vergleichsmöglichkeiten vergrößert) – die verträumten Blicke von Pärchen, die, eng umschlungen, der Langsamversion des Black Sabbath-Krachers „Paranoid“ lauschen, sprechen für sich. Und so können die allermeisten Hellsongs-Songs bestehen, ohne am Vorbild gemessen zu werden. Oder vielleicht gerade deshalb? Ist diese Art des Coverns womöglich weniger originell als sie auf den ersten Blick scheint? Ist die Band etwa nur ein – auf seine Art dann sehr schwedischer – Versuch, breitenkompatible Popmusik zu produzieren, ein nettes Spaßevent, ein bloßes Happy Metal? Mag sein, dass die Idee sich irgendwann erschöpfen wird – noch ist es aber ganz offenbar nicht so weit, und der Erfolg bestätigt das Wagnis. Wenn das kreative Potential der Band so groß ist wie ihre Nachspielfreude, steht noch einiges zu erwarten zwischen Himmel und Hölle.

www.hellsongs.com

Autor(in): Frank – fsommerkamp@gmx.de

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