Tödliche Schüsse in Göteborg

Um 8 Uhr morgens klingelte bei uns das Telefon, und meine Freundin Tini aus Deutschland war dran. So früh lässt sie normalerweise nie von sich hören, aber ihre Stimme klang besorgt: „Ich wollte nur wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist“, sagte sie. Und dann erfuhr ich erst durch sie, dass es in der Nacht eine wilde Schießerei in Göteborg gegben hatte. Mit Kalschnikows bewaffnete Männer hätten wahllos in eine vollbesetzte Kneipe geschossen, Toten und Verletzte wären zu beklagen.

Ein schneller Blick ins Internet gibt Gewissheit, und eine Art perfide Erleichterung, – hatte die blutige Tat doch „nur“ mit der schon bekannten Bandenkriminalität in Göteborgs Norden zu tun. Dort gebärdet sich eine Gruppe junger Männer in Mafia-Manier als Drogenbosse und Geldwäscher. Göteborg als Klein-Chicago… Schüsse zwischen den rivalisierenden Clans fielen bisher nur sporadisch, nachts, in dunklen Gassen. Aber diesmal sind wir alle zur Zielscheibe geworden.
Tatsächlich war der Schauplatz der Bluttat eine ganz gewöhnliche Kneipe, in der die Leute gerade Champions League schauten und ein Feierabend-Bier tranken. Ich hätte auch da sein können, wenn das Schicksal mich auf die andere Seite des Götaälven verschlagen hätte. Unter den Opfern waren Unbeteiligte, die nie mit Drogen oder Straßengangs zu tun hatten. Ein 20-jähriger starb, einfach weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Er war in der Nachbarschaft als DJ bekannt und hätte am Samstag in eben derselben Kneipe die Musik für den „Nightclub“ auflegen sollen.

Dass unter den Toten auch der „Kopf“ einer dieser sich bekriegenden Banden war, gibt einem da keine Genugtuung. Dass es eine kriminelle Parallelwelt im beschaulichen Göteborg überhaupt gibt, scheint unwirklich genug. Dass sie sich derart bewaffnen können, regt den braven Bürger auf. Aber wenn ein solcher Hass regiert und sich Bahn brechen kann, müssten eigentlich alle geschlossen dagegen auf die Straße gehen! Die sozialen Unterschiede in dieser Stadt sind nicht nur offensichtlich, sondern beschämend, und sie bereiten den Boden für kriminelle Karrieren, die schon in ganz jungen Jahren starten. Oft sind es Einwanderer wie ich, die auf die schiefe Bahn geraten, – einfach weil sie im täglichen Leben massiv benachteiligt werden und nicht den gleichen Weg machen können wie schwedische Jugendliche.

Dass das Medienecho in Deutschland so prompt auf die aktuelle Tat folgte, hat sicher auch mit der umgehenden Angst vor Terroranschlägen zu tun. Einfach blind auf eine Menschenmenge zu schießen, – das ist erst vor kurzem in Kopenhagen passiert. Hier war freilich der Mohammed-Karikaturist Lars Vilks die Zielscheibe, – die Vorgehensweise der Täter war jedoch die gleiche wie jetzt in Göteborg: Ohne jegliche Empathie und Rücksicht auf Verluste. Was mir das sagt? Terroristen sind bestimmt keine „besseren Kriminellen“, und auch „gewöhnliche Gangster“ können eine ganze Stadt terrorisieren.

Autor(in): Katja Singer – katja-singer@gmx.de

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