Schwedens Geschichte: Vom Wanderhandel zum städtischen Handel – Stadtgründungen im Mittelalter

Eine der ältesten Städte Schwedens: Skara. Das Modell im Västergötlands Museum zeigt die Stadt im 13. Jhd. Foto: Dagjoh /commons.wikimedia.org/ (CC BY 3.0)

Eine der ältesten Städte Schwedens: Skara. Das Modell im Västergötlands Museum zeigt die Stadt im 13. Jhd. Foto: Dagjoh /commons.wikimedia.org/ (CC BY 3.0)

Das Mittelalter in Schweden war die Zeit der Christianisierung, der Entstehung des Schwedischen Reiches und eine Zeit der Stadtgründungen. Die Städte waren religiöse und politische Machtzentren, vor allem waren sie Orte des Handels.

Die Kontrolle über den Handel zu erlangen, Wohlstand und Macht der Krone durch den Handel zu steigern und zu festigen war wesentlich für Stadtgründungen im mittelalterlichen Schweden. So entstanden ab dem 12. Jahrhundert mehr und mehr reine Handelsstädte.

Die frühen Städte

Die älteste (nach derzeitiger Erkenntnis) noch bestehende Stadt Schwedens ist Sigtuna. Um 980 gegründet wurde der Ort Bischofssitz, Münzprägestätte und Handelszentrum – als Nachfolger des zerstörten Birkas. Etwa 200 Jahre vor Sigtuna gegründet genießt Birka noch heute den Ruf so etwas wie Schwedens „Urstadt“ zu sein. Ob zurecht, darf bezweifelt werden – wie es Herbert Kårlin in seinem Beitrag „Geschiche der schwedischen Städte: Die Vorläufer“ darstellt.

Dennoch ist Birka als Handelsstadt bedeutsam, steht der Ort im Mälaren für den Übergang vom Wander- zum städtischen Handel bereits in der Wikingerzeit. Gegenüber dem besonders in Nordeuropa verbreiteten Wander-/Saisonhandel, den beispielsweise Bauern als Händler eigener wie auch fremder Produkte auf dem Land betrieben, bot Birka einen intensiveren und sichereren Warenaustausch. Zugleich erzielten die Svear-Könige Kontrolle über und gewinne aus dem Handel. Für zwei Jahrhunderte war Birka Handelsplatz für ganz Nordeuropa mit Kontakten in alle Himmelsrichtungen – Silber aus Arabien, Pelze aus dem Norden, Eisen aus Mittelschweden, Perlen aus Russland. Zur Hochzeit bevölkerten bis zu 1000 Personen die Siedlung.

Birka: Rekonstruierte Wikingerboote. Foto: Holger.Ellgard /commons.wikimedia.org/ (CC BY-SA 3.0)

Birka: Rekonstruierte Wikingerboote. Foto: Holger.Ellgard /commons.wikimedia.org/ (CC BY-SA 3.0)

Nach der Zerstörung Birkas durch Seeräuber wuchsen im 11. Jahrhundert neben Sigtuna mit Östra Aros in Uppland und Aros in Västmanland (Väster Aros, das heutige Västerås) neue Handelszentren. Ihnen wurde mit dem Aufstieg Uppsalas und Stockholms im 13. Jahrhundert der Rang abgelaufen.

Im Land der Götar wurde das 988 gegründete Skara um das Jahr 1000 Bischofssitz, entstanden mit Södertälje, Lödöse (dem Vorläufer von Göteborg) und Kalmar weitere Handelszentren.

Ein weiteres bedeutendes Zentrum war Visby. Das Gründungsdatum liegt im ungewissen. Die älteste schriftliche Quelle stammt von 1203, jedoch erhielt der Ort 1161 Handelsprivilegien durch Heinrich den Löwen. Vieles spricht dafür, dass die Stadt auf Gotland auf einem älteren Handelsplatz entstand – der möglicherweise bereits um 700 existierte. Eine andere Frage ist, ab wann von Visby als „schwedische“ Stadt gesprochen werden kann, da Gotland erst im 13. Jahrhundert zum Königreich kam.

Städte im eroberten Finnland

Um 1300 wird von 20 Städten im Königreich Schweden ausgegangen. Darunter Viborg, das heutige Wyborg in Russland.

In Söderköping. Die Stadt am Göta-Kanal war im Mittelalter eine der wichtigsten Handels- und Hafenstädte in Schweden. Foto: Nysteanders /commons.wikimedia.org/ (CC BY-SA 3.0)

In Söderköping. Die Stadt am Göta-Kanal war im Mittelalter eine der wichtigsten Handels- und Hafenstädte in Schweden. Foto: Nysteanders /commons.wikimedia.org/ (CC BY-SA 3.0)

Mit den schwedischen Eroberungen des 12. und 13. Jahrhunderts in Finnland entwickelten sich auch hier Städte – auf alten Handelsplätzen. So hat Viborg seinen Ursprung in einem karelischen Handelsplatz. Als Gründungsdatum der Stadt wird 1293 genannt, als Torgils Knutsson eine mächtige Burg errichten ließ. Viborg wurde königliche Pfalz, später Sitz eines Statthalters zur Grenzsicherung und eines Bischofs. Wie Viborg lag auch Åbo (Turku) am traditionellen Handelsweg nach Russland. Der vermutlich schon zur Wikingerzeit als Handelsplatz existierende Ort blühte ab Ende des 13. Jahrhunderts als Stadt auf, gewann als Verwaltungs- und Bischofssitz Bedeutung. Andere Handelstädte wie Borgå (Porvoo) oder Raumo (Rauma) blieben im Mittelalter unbedeutend.

Stadtgründungen durch den Hansehandel

Einen weiteren Impuls zu Stadtgründungen im Mittelalter gab die Ausbreitung des Hansehandels. Einerseits profitierten Städte wie Visby, Stockholm oder Söderköping davon, andererseits erwuchs der schwedischen Krone mit der Hanse ein starker – nicht nur wirtschaftlicher – Konkurrent im Ostseeraum. Um dem Entgegenzuwirken und den Handel unter königlicher Kontrolle zu behalten, entstanden zahlreiche neue Städte.

In den Städten entstand mit dem Stadtbürgertum eine eigene soziale Gruppe, die gerade aus  der Konkurrenz zur Hanse der Krone rechtliche und wirtschaftliche Freiheiten abringen bzw. abpressen konnte, weitgehende Autonomie genoss und im ausgehenden Mittelalter ein zu berücksichtigender Machtfaktor in Schweden war.

Autor: Mathias Grohmann – mathias_grohmann@web.de

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