Ölands Süden – unscheinbare Schätze

Öland: ein besonderer Teil Schwedens (Foto: privat)

Ölands Einzigartigkeit zeigt sich bisweilen erst auf den zweiten Blick. Denn die Spuren der Wechselwirkung von Natur und Kultur, die die Insel prägten und ihrem Südteil vor 12 Jahren den Weltkulturerbestatus einbrachten, sind oft unscheinbar und wenig spektakulär. Doch neben Landmarken wie dem Leuchtturm Långe Jan, der industrieromantischen Alaunfabrik von Degerhamn oder der immer noch mächtigen Eketorps Borg gibt es im Süden Ölands noch ein paar kleine, aber große Ziele zu entdecken: z.B. den Karst des Stora Alvaret, die Eisenzeitgräber von Gettlinge und die Wallruine der alten Gråborg.

Überquert man, von Kalmar kommend, die Ölandsbron und biegt in Färjestaden südlich in Richtung Mörbylånga ab, berührt man bereits den „Großen Alvar“, eine Landschaft, die durchaus an Südeuropa oder gar die Tundra denken lässt und mit 250 qkm fast ein Viertel Ölands bedeckt. Der Name Alvar bezeichnet eine baumlose Fläche, die nur von einer dünnen Humusschicht bedeckt und daher landwirtschaftlich kaum nutzbar ist. Dazu tragen auch klimatische Besonderheiten bei: frostige Winter und heiße Sommer sowie abwechselnd feuchte und sehr trockene Böden. Auf dem öländischen Alvar hat sich mit der Zeit eine enorme Pflanzenvielfalt entwickeln können, wie sie sonst eher im Mittelmeerraum, in den Alpen oder auch in der Steppe vorkommt, und die die Insel zu einer der artenreichsten Gegenden Schwedens macht; einzelne Spezies, wie das Öland-Sonnenröschen, lassen sich sogar nur hier finden. Zum heutigen Erscheinungsbild hat die teils extensive Abweidung des Alvar durch Schafe beigetragen; die ältesten dauerhaften Zeichen menschlicher Kulturtätigkeit sind steinzeitliche Ganggräber und Reste jüngerer Hausfundamente.

Das Gräberfeld bei Gettlinge (Foto: privat)

Südlicher, zwischen Kastlösa und Degerhamn, liegt die vorzeitliche Begräbnisstätte des Gettlinge gravfält. Auf dem einige hundert Meter langen Feld lassen sich rund 200 Stein- und Grabformen erkunden, zudem eine gut erhaltene, ca. 30 m lange Schiffssetzung. Aus zwei Reihen von Findlingen wurde hier einst ein Schiffsrumpf nachgebildet, dessen Bug und Heck von runensteinartigen Blöcken abgeschlossen und der seitlich von großen Kalksteinplatten markiert ist. Hier fanden im 19. Jahrhundert Archäologen unter manchen Hügeln Steinsärge und Waffen, aus denen sie eine jahrhundertelange Nutzung des Feldes erschlossen. – Zwar gibt es weitere, auch größere Gräberfelder auf Öland; allein die Aussicht auf den Kalmarsund macht hier aber einen Zwischenstopp reizvoll.

Zur Ruine der Gråborg auf der Ostseite der Insel, kurz von Färjestaden, geht es über einen Feldweg und vorbei an einem bewohnten Hof. Die Burg besteht heute v.a. aus einem bis zu 10 m dicken, etwa halb so hohen und nach innen abgeflachten Steinwall; er umschließt auf einer Länge von 640 m einen kreisrunden Platz, der ehemals wohl u.a. als Versammlungsort gedient hat. Erbaut wurde die Festung schon zwischen 400 und 550 v. Chr.; archäologische Funde in ihrem Inneren belegen auch eine lange bäuerliche Nutzung. Die vom westlichen Walltor aus sichtbare Ruine der St. Knuts-Kapelle wurde dagegen nur vom 13. bis zum 16. Jahrhundert genutzt und verfiel danach. – Die Gråborg ist auch der Ausgangspunkt eines sehr schönen Wanderwegs.

Die Ruine der Gråborg (Foto: privat)

 

Veränderungen haben sich auf Öland oft langsam vollzogen: Ein – das bäuerliche Leben stark einschränkendes – königliches Jagdprivileg für die Gesamtinsel galt ganze 232 Jahre lang. Nach seiner Aufhebung im Jahr 1801 kam es zu einer kompletten Neuverteilung von Land, während der u.a. auch die berühmten Bockwindmühlen entstanden, von denen heute noch rund 350 auf der Insel zu sehen sind. Spürbar waren schließlich auch die Wirkungen der allgemeinen Auswanderungsbewegung am Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute ist Öland, längst nicht nur wegen seines Sonnenreichtums, eine der beliebtesten Ferienregionen Schwedens und dabei von einer Vielfalt, die eben immer auch eine Liebe auf den zweiten Blick erlaubt.

Autor: Frank Sommerkamp – fsommerkamp@gmx.de

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