Jobsuche in Schweden (2: Jobsuche gesucht)

Der graue Arbeitsmarkt sei der Wichtigste, hatte man mir im Arbeitsamt gesagt. Na, das passt ja, dachte ich mir auf dem Weg nach Hause. Ich starrte durch die schmutzigen Busfenster auf die kahlen Bäume, zwischen denen düstere Felsen aus schmutzigem Schnee ragten. Grauer Arbeitsmarkt, das klingt nach Nebel, nach Moorlandschaft, nichts ist, wie es scheint. Und wenn man nicht aufpasst, versinkt man.

Daheim angekommen kochte ich mir Kaffee und schüttelte Schnee und Trübsinn aus meinen Kleidern. Ich wollte schließlich nicht alle Jobs, sondern nur einen. Natürlich ist es im Ausland schwieriger, aber im Grunde ist es dasselbe wie in Deutschland: Zeitungen wälzen, Arbeitsamtseite checken. Aber nach was sollte ich suchen? Natürlich erst mal nach dem Job, in dem ich ausgebildet war. Nur- den gab es nicht. Schweden hat ein anderes Bildungssystem und andere Abschlüsse, mein deutsches Diplom kannte kaum einer. Deren Abschluss heißt „Civilingenjör“ und zwar auch für nicht-technische Fächer.  Zum ersten Mal verfluchte ich es, unter dem alten System vor Bachelor und Master studiert zu haben. Zum Glück gibt es hierfür in Schweden das Högskoleverket, wo ich mir bescheinigen lassen konnte, welchem schwedischen Abschluss mein Deutscher entspricht. (Das Högskolverket ist für Akademiker zuständig, es gibt ähnliche Stellen aber auch zum Beispiel für Handwerker, Krankenpersonal und Lehrer.)

Die Suche beginnt

Für mein Studium gab es also eine schwedische Entsprechung -durchaus keine Selbstverständlichkeit. Also konnte ich schon mal nach allen diesen Jobs suchen. Zusätzlich suchte ich nach allen Angeboten, die das Wort „tyska“, also „Deutsch“ enthielten. Den Tip hatte ich auch von der Frau vom Arbeitsamt erhalten: nicht nur im eigenen Bereich schauen, sondern ruhig auch über den Tellerrand bewerben. Das größte Hindernis des Auswanderers ist: wir beherrschen die Landessprache nicht. Das größte Plus- wir sprechen eine andere Sprache, und das auf Mutterspracheniveau.

Datenbanken und Metadatenbanken 

So ging ich jeden Morgen die Anzeigen durch, bewaffnet mit Kaffee, dem Langenscheid- Wörterbuch meines Freundes, und Google-translate. Mittlerweile schaute ich nicht mehr in die einzelnen Quellen, sondern ließ mir von einer Metasuchmaschine die besten Anzeigen aus vielen Quellen raus suchen. Am Anfang war das unglaublich anstrengend und zeitaufwendig, aber nach kurzer Zeit kannte man die allgemeinsten Ausdrücke wie „punktlig“, „stresstalig“ und „noggran“ (pünktlich, stressig, sorgfältig). Und so hatte ich die Energie, den grauen Arbeitsmarkt zu erkunden.

Grau ist aller Arbeitsmarkt

Der graue Arbeitsmarkt hat, natürlich, nichts mit dem skandinavischen Wetter zu tun. Es sind die Stellen, die nicht öffentlich, auf der Arbeitsamtseite oder in Zeitungen ausgeschrieben werden. Stattdessen werden diese Stellen auf der Firmenseite ausgeschrieben, intern oder über Kontakte vergeben. Laut Arbeitsamt macht der graue Arbeitsmarkt bis zu 90 Prozent aller Stellen in Schweden aus. Und da Auswanderer, zumindest am Anfang, wenige Kontakte haben, gehen ihnen etliche Jobs durch die Lappen. Das ist frustrierend, man fühlt sich ausgeschlossen, und schnell kommt man in eine Abwehrhaltung des „die anderen sind schuld. Ich will ja, aber die lassen mich nicht mitspielen“.Das ist menschlich, hilft aber keinem weiter (am wenigsten einem selbst), und es stimmt auch nicht. Es gibt Wege in den grauen Markt.

Die effektivste Methode ist gleichzeitig die älteste und verhalf schon vor 35 Jahren dem Mann, der mein Vater werden würde, zu einem Job: Klinken Putzen! Jeden Morgen zog er los, in der einen Hand einen Stapel Bewerbungsmappen, in der anderen die gelben Seiten. So klapperte er alle interessanten Firmen ab, so lange, bis er einen Job hatte. Der Vorteil dieser Methode liegt auf der Hand: der zukünftige Chef bekommt sofort den persönlichen Kontakt, und das Interesse des Bewerbers wird gezeigt. Der Nachteil, nun wenn man noch nicht im Land ist, kann man einfach nicht Bewerbungen persönlich vorbei bringen. Außerdem kommt es auf das persönliche Temperament an. Ich bekomme allein bei dem Gedanken schweißnasse Hände.

Nettwörking 

A propos Temperament: nicht jede Variante, die von Karriereratgebern (oder auch von mir) empfohlen werden, passen für jeden Menschen gleichermaßen. Karriere-meetings zum Kontakte knüpfen gab ich nach drei Treffen auf, mit dem Bauch voller Appetithäppchen und einem tiefen Hass auf „Networken“. Genauso erfolglos waren die Jobbmessen, über die mehrere meiner Freunde ihre Arbeitgeber gefunden hatten. Als größten Erfolg verbuchte ich einen Kuli und ein Päckchen Pfefferminzdragees, die ich beim Trafikverket mitgehen ließ, nachdem die mich eine Viertelstunde lang ignoriert hatten.

WM und nette Treffen – Jobsuche alternativ

Im Rückblick erwiesen sich die Methoden als am erfolgreichsten, die am meisten Spaß gemacht haben; interessante Firmen im Internet recherchieren und dann Initiativbewerbungen verschicken. Adressen bekam ich aus den gelben Seiten (die heißen hier wirklich auch gula sidor) und aus dem Handelsregister. Persönliche Anschreiben, die ich an Chefs und Professoren verschickte, und die wenn nicht zum Job, dann doch zu guten Kontakten verhalfen- und zu mehr Kontakten; Leute, die ich bei irgendwelchen anderen Treffen in ganz anderem Zusammenhang kennen lernte (von meiner jetzigen Firma hörte ich das erste Mal beim WM-Viertelfinale). Pltzlich taten sich mir überall offene Stellen auf. Und schon konnte ich zum nächsten Schritt übergehen- der Bewerbung. Aber davon will ich euch das nächste Mal erzählen.

 

Meine Links:

Dagens Nyheter (Tageszeitung mit großen Stellenteil)

Arbetsförmedlingen (Arbeitsamt, mit großem Stellenangebot)

Workey (Metasuchmaschine, mein Favorit)

Jobs im öffentlichen Dienst

Deutsch-Schwedische Handelskammer

Gula sidorna/ Eniro (Gelbe Seiten)

 

Autorin: Tina Skupin – tskupin32@gmail.com

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