Ein Wochenende in Karlskrona – im Jahr 1804

Karlskrona Marktpatz

Der Stortorget in Karlskrona heute, mit der Friedrichskirche und dem Denkmal Karls XI. (Foto: privat)

„Es ist auffallend, wie viele hübsche Gesichter man in Karlskrona […] sieht. Die Stirn und Nase hat gewöhnlich viel Stärke und Präzision, die Augen sprechen Klarheit und Verstand, weniger Phantasie, der feine Mund deutet auf Kraft, nicht auf Fülle, der Wuchs ist leicht und kühn bei Männern und Weibern.“ – Mit dieser freundlichen Einschätzung beschloss der von der Insel Rügen im damaligen Schwedisch-Pommern stammende Ernst Moritz Arndt (1769–1860) den Bericht über seinen Aufenthalt in Karlskrona, einer der letzten Stationen einer mehrmonatigen Reise. Im vierten Band des immer noch lesenswerten Berichts über die „Reise durch Schweden im Jahre 1804“ beschreibt Arndt unter dem Datum des 18./19. August – einem Wochenende – seine Zeit in Karlskrona.

Arndt reiste – bei unsommerlich „rauhem Wind“ – durch „Blekinges liebliches Land“ aus Richtung Jämjö nach Karlskrona und kam dabei zunächst nach Lyckeby. Das schon 1449 urkundlich erwähnte ehemalige Lyckå war lange Zeit ein wichtiger Handelsplatz und nicht zuletzt durch die Festung Lyckå slott (erbaut ab 1545) bekannt. Vom Schloss fand schon Arndt „kaum die Trümmer“, wie er schreibt. Heute sind sie als vorbildlich restaurierte Ruine zu besichtigen, und auch die „große Mühle“ (Kronokvarnen) am „wilden Strom“ ist wohl nahezu unverändert erhalten. Den Weg von Lyckeby in die „amphitheatralische Stadt“ empfand Arndt dann als sehr angenehm („eine lustige Fahrt“), und vielleicht haben auch „ein hübsches Logis und ein gutes Frühstück“ den Eindruck bestärkt, in einer der „nettesten Städte in Schweden“ angekommen zu sein.

Karlskrona wurde 1680 gegründet, zur Großmachtzeit Schwedens und auf Befehl Karls XI., der auf der Insel Trossö einen eisfreien Flottenstützpunkt errichten wollte. Dafür zwang man kurzerhand die Einwohner des benachbarten Ronneby, das zudem sein Stadtrecht verlor, sich in Karlskrona anzusiedeln. Voraus ging dem die von Arndt berichtete Episode um den Fischer und Bauern Veit Andersson, dem große Teile Trossös gehörten und der sie „für keinen Preis verkaufen wollte“. Die Folge seiner Weigerung waren gewaltsame Vertreibung und anschließende Haft, „bis sich seine Hartnäckigkeit gelegt hatte“. Noch heute erinnert die, auch von Arndt genannte, (Östra) Vittusgatan an den renitenten Bauern.

Der riesige Stortorget erschien auch Arndt als „stattlich“ und „schönster Platz der Stadt“; der freilich seiner Meinung nach „noch schöner“ hätte sein können, „wenn man ihn nicht mit den Kirchen verbaut hätte“. Heute bilden die Friedrichskirche (1720–1758) und die seitlich stehende Dreifaltigkeitskirche (1697–1749) zusammen mit dem Rathaus einen zentralen Anziehungspunkt der Stadt, über den von hohem Sockel aus ein bronzener Karl XI. wacht – sofern er nicht gerade mit dem hölzernen Bettler Rosenbom von der Admiralitätskirche ‚Ulrica Pia’ die Stadt nach einem gewissen Nils Holgersson absucht, aber diese Geschichte gehört zu einer anderen, wunderbaren Reise durch Schweden…

Auch Arndt ging über den Admiralitätsmarkt in Richtung Werft, in die, wie er schreibt, „nur Eingeborene“ Einlass fanden. Im Hafen sei es „still und sicher wie in einer Kammer“, denn „der Lindholm […] und die alten Docks liegen wie eine Mauer davor“. Die ab 1716 von Christopher Polhem (1661–1751) errichteten Trockendocks galten den Zeitgenossen als technisches Wunder, arbeiteten sie doch zuerst mit einem auf Handbetrieb basierenden Paternostersystem zur Wasserableitung. Ebenso wie die alten Docks kann die 300 m lange Holzkonstruktion der Seilerbahn (bei Arndt: „Reiferbahn“) heute – im Rahmen geführter Touren – besichtigt werden. Auf dem östlich von Trossö gelegenen Stumholmen hat Arndt dann das berühmte Marinemuseum – natürlich nicht einmal ahnen können; den ungewöhnlichen Schaluppen- und Barkassenschuppen („das große sogenannte Slupskjul“) verzeichnet er aber getreulich. Auch auf die Kirchen der Stadt kommt er noch einmal zurück, und wegen des Sonntags besucht er sogar Gottesdienste, an denen er sich freilich weniger ergötzt als an den „Menschengesichtern und der hübschen Tracht der mittleren und niederen Stände“. Unmittelbar darauf folgt die eingangs zitierte Bemerkung über die hübschen Gesichter von Karlskrona.

Nicht alle Stationen von Arndts Schwedenreise sind anhand seines Berichts noch heute so wiedererkennbar wie Karlskrona, dessen Welterbestatus wohl auch Ergebnis solcher Beständigkeit ist. Für ein historisches oder kulturgeschichtliches Interesse an Schweden oder, allgemeiner, am Reisen zu früheren Zeiten, bleibt dieser klassische Reisebericht aber allemal eine Fundgrube.

Autor: Frank Sommerkamp – fsommerkamp@gmx.de

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