Der Millesgården auf Lidingö

Ein Skulpturenpark mit Blick auf Stockholm (Foto mit Genehmigung von / with permission of: Millesgården)

Kaum eine halbe Stunde Bahnfahrt von der Stockholmer Innenstadt und deren touristischen Highlights entfernt existiert ein sehenswerter Ort, der sich durch seine Randlage auf den Klippen von Lidingö und hinter seinem schlichten Namen fast etwas zu verstecken scheint: der Skulpturenpark Millesgården. Tatsächlich kann man das Areal, das der Bildhauer Carl Milles (1875-1955) mit seiner Frau, der Malerin Olga Milles (1874-1967), in Jahrzehnten zu einer weitläufigen Wohn-, Arbeits- und Ausstellungsfläche entwickelt hat, ein – öffentliches zugängliches – Refugium nennen: So mancher Besucher gerät hier schnell in eine eigentümlich weltenthobene Stimmung.

Die Geschichte des Millesgården reicht zurück bis ins Jahr 1906, als Carl und Olga Milles ein Grundstück in Herserud auf Lidingö erwarben und dort zwei Jahre später ein Wohnhaus mit Atelier errichten ließen. Sukzessive wurde das Gelände in den folgenden Jahren durch Ankäufe vergrößert und mit Hilfe von Milles’ Bruder, dem Architekten Evert Milles, ausgebaut. Man legte Wege und Terrassen an, errichtete Brunnen, Treppen und Tore, pflanzte Hecken und Bäume und schuf nicht zuletzt Ausstellungsraum unter freiem Himmel für die zunehmende Zahl von Werken. Diese bilden ein künstlerisch und thematisch weites Spektrum ab und machen Millesgården – im Verbund mit der parkähnlichen Umgebung und der Aussicht auf die am anderen Ufer des Lilla Värtan liegenden Industrie- und Hafenanlagen Stockholms – zu einem begehbaren Gesamtkunstwerk. Vieles erscheint hier leicht und buchstäblich schwebend – von den filigranen, auf hohen Stelen musizierenden Engeln (1948) über den auf einem Regenbogen balancierenden Gottvater (1949) und die berühmte „Hand Gottes“ (1954) bis zu diversen tanzenden und fliegenden mythologischen oder säkularen Figuren. Weiterhin finden sich Darstellungen biblischer Motive oder auch historischer Gestalten wie die des vom Rücken eines Kamels aus den Park überblickenden schwedischen Entdeckers Sven Hedin (1931). Reminiszenzen an Milles’ Zeit in Michigan/USA (Indianerkopf des Friedensmonuments, 1936; „Spirit of Transportation“, 1952), wo er in den 1930er/40er Jahren eine Professur in Cranbrook (Academy of Art) innehatte und wo neue, teils monumentale Skulpturen entstanden, ergänzen die Sammlung ebenso wie architektonische Versatzstücke, die Milles aus Abbrucharbeiten am Stockholmer Rydberg-Hotel oder dem alten Opernhaus übernahm und im Gelände verbaute. Schließlich erzeugt die Anordnung der Wohn- und Ateliergebäude, in denen u.a. eine Antikensammlung zu sehen ist, mit den vorgelagerten Loggien, Fontänen und Plätzen ein fast mediterranes Gesamtbild – ein von Milles, der bis zu seinem Tod in Rom lebte, gewollter Effekt, der den Park auch geographisch zwischen Nord- und Südeuropa in der Schwebe hält.

Carl Milles zählte in der ersten Hälfte des 20. Jh. zu den wichtigsten schwedischen Bildhauern; seine Werke wurden – auch dank geschickter Vermarktung – populär und weit verbreitet, v.a. in den USA und Schweden. Gerade hier zeigen viele Städte und Gemeinden „ihren“ Milles – oft an prominenter Stelle, wie etwa am Götaplatsen in Göteborg. Natürlich sind Milles-Skulpturen auch in Stockholm zahlreich; am bekanntesten sind hier wohl die Statue Gustav Vasas im Nordiska Museet und die Orfeusgruppe vor dem Konserthuset, die daher auch unbedingt zu den o.g. zentralen Sehenswürdigkeiten zählen. Der Millesgården als Kunst- und Kulturzentrum mag dagegen für manchen Stockholm-Besucher eine noch zu entdeckende touristische Peripherie darstellen.

Die Anreise nach Lidingö erfolgt am einfachsten mit der Röda linjen bis zur Endhaltestelle Ropsten und von da mit einer der Buslinien bis Torsviks Torg oder – schöner noch – mit der Lidingöbahn L21 bis zur Haltestelle Baggeby. Millesgården ist ganzjährig gegen Eintritt geöffnet und bietet neben wechselnden Ausstellungen und Führungen durch den Park auch ein angeschlossenes Café und Restaurant. (www.millesgarden.se)

 

Autor(in): Frank – fsommerkamp@gmx.de

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