Anonyme Bestattungen nehmen zu

Brauchtum, Das ist Schweden, Nachrichten, Wissenswertes

Friedhof Göteborg

Der Ost-Friedhof in Göteborg versammelt heute rund 18.000 Grabstätten.

Der Herbst wirft ein fahles Licht auf unseren Umgang mit Tod und Trauer. Anfang November wird beim „alla helgons dag“ traditionell der Verstorbenen gedacht. Doch neue Bestattungsrituale sorgen gleichzeitig für Aufmerksamkeit: Die „Direktbestattung“ ohne Zeremonie hat in letzter Zeit sprunghaft zugenommen.

Die sogenannte „Direkt-Beerdigung“ ist anonym und hinterlässt keine Grabstelle. Der Verstorbene wird auf Wunsch der Hinterbliebenen vom Totenbett ins Krematorium gebracht. Die Asche wird anschließend in anonymen Trauerwäldern beigesetzt oder verstreut. Diesen letzten Dienst erweisen oft die Bestattungsunternehmer selbser, – die Angehörigen sind dabei nicht mit anwesend.

Noch vor zehn Jahren wurden weniger als 2 Prozent aller Toten auf diese Weise bestattet. Heute ist die Zahl auf 8 Prozent angestiegen, wie der Verband der Bestatter in Schweden errechnet hat. Der neue „Trend“ ist dabei kein Phänomen der Großstädte: Die meisten anonymen Kremierungen werden im ländlichen Dalarna vorgenommen: rund 10 Prozent. Dies ist auch im internationalen Vergleich eine erstaunlich hohe Zahl: Andere Länder führen noch nicht einmal Statistik über diese anonyme Form der Bestattung.

Friedhof Grablichter

Am Allerheiligen wird traditionell den Verstorbenen gedacht. Foto: Cecilia Larsson Lantz/ Imagebank.sweden.se

Gründe für die Zunahme des schnellen Beerdigungsrituals sind nach Ansicht der Bestatter in der Gesellschaft zu suchen: Einzelpersonen sind nicht mehr den starken traditionellen Zwängen ausgesetzt. Im säkulären Schweden hat die Kirche wenig Macht über das Individuum, darum gestaltet man seine Feier- bzw. Trauertage nach eigenem Gutdünken.

Trotzdem: Die Mehrheit der Schweden will nach wie vor einen würdigen Abschluss im Trauerfall und hält an der klassischen Bestattung mit Trauerfeier fest. Auch die Grabstelle am Wohnort des Toten ist nach wie vor Standard in Schweden. Das zeigt sich alle Jahre wieder am „alla helgons dag“: Dann besuchen viele Familien den Friedhof, machen die Gräber winterfest und zünden Lichter an. Eine schöne „neue“ Tradition, die erst im 20. Jahrhundert aus dem kirchlichen Allerheiligen hervorgegegangen ist.

9 Kommentare

  1. Werner

    Ich finde, das ist eine gute Möglichkeit. Ich möchte nicht in einem Sarg liegend in der Erde verscharrt werden.. das ist altmodisch. Vielleicht die Asche ins Meer, dort kann man hingehen und gedenken. Das Meer ist groß und weit, das Denken des Menschen immer noch klein. Werner

    Antworten
  2. Lucy Schnee

    Dass die Zunahme an anonymen Bestattungen damit begründet ist, dass die heutige Gesellschaft weniger denn je an traditionellen Zwängen gebunden ist, klingt einleuchtend und plausibel. Vielleicht ist manchen Personen zudem die Vorstellung, in der Erde zu liegen, einfach zuwider oder zu langweilig. Viel schöner fände ich es beispielsweise, eines Tages an einem schönen See bestattet zu werden.

    Antworten
  3. Jan Dijkstra

    Interessant, dass noch vor zehn Jahren weniger als 2 Prozent aller Toten auf diese Weise bestattet wurden. Ich suche zusammen mit meinem Bruder einen Bestatter. Eine verstorbene Person, die uns nah stand, hat sich ebenfalls eine anonyme Bestattung gewünscht.

    Antworten
  4. Marie Busch

    Meine Nachbarin sucht derzeit nach einem Bestattungsinstitut für anonyme Bestattungen. Ich wusste allerdings gar nicht, dass es sich dabei um einen schwedischen Brauch handelt. Mich hat es auch gewundert, dass diese Form der Bestattung gerade zunimmt.

    Antworten
  5. Leonie Schubert

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Mir war noch nicht bewusst, woher dieses Ritual seinen Ursprung hat. Unsere Urgroßmutter hat sich für eine solche Beerdigung entschieden. Die Planung der Trauerfeier wird dadurch zwar nicht einfacher, jedoch sind wir uns der Unterstützung enger Freunde bewusst. Wir sind dankbar für diese Hilfe.

    Antworten
  6. Finja Gellner

    Diese Art der Bestattung, bei der weder ein Grabstein noch eine Grabplatte den Ruheort kennzeichnet, bietet eine Alternative zu traditionelleren Methoden. Es scheint, dass sie eine gewisse Anziehungskraft für Diejenigen hat, die einen weniger aufwendigen Abschied bevorzugen oder die Kosten einer herkömmlichen Beerdigung vermeiden möchten. Trotzdem stellt sie eine Herausforderung für die Trauernden dar, da es keinen physischen Ort zum Trauern gibt. Es ist definitiv eine Entwicklung, die weiter beobachtet werden sollte.

    Antworten
  7. Benjamin Neuenhof

    Unser Nachbar ist vor kurzem verstorben und benötigt eine Bestattunsgplanung. Interessant zu lesen war, dass eine anonyme Bestattung gut für Leute ist, die nicht an Traditionen festhalten. Ich werde einen Bestatter um weitere Hilfe fragen.

    Antworten
  8. Kira Nonnenbaum

    Vielen Dank für diesen Artikel zu anonymen Bestattungen. Gut zu wissen, dass der Anteil in den letzten Jahren sich vervierfacht hat. Ich möchte eine Seebestattung planen lassen und bin daher auf diesen Beitrag gestoßen.

    Antworten
  9. Florian Farber

    Anonyme Bestattungen interessieren mich sehr. Da ich eine Bestattungsvorsorge machen möchte, war gut zu erfahren, dass man diese auch traditionsfrei durchführen kann. Für weitere Fragen wende ich mich an einen Bestatter.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Beiträge

Virtuelle Design-Ausstellung aus Schweden

Virtuelle Design-Ausstellung aus Schweden

Keine Schließzeiten, keine Warteschlangen, kein Eintritt: Seit 7. Juni ist die Ausstellung „Swedish Design Movement – ​​Leading the way“ virtuell und jederzeit zu sehen. Die Premiere fiel passenderweise in die Mailänder Designwoche, die nach zweifacher coronabedingter...

mehr lesen
Recht

Recht

Auf die Besonderheiten im schwedischen Rechtssystem werden wir auf den folgenden Seiten eingehen. Jedermannsrecht In Schweden gibt es das sogenannte Jedermannsrecht. Was sich dahinter verbirgt, erfahrt ihr im folgenden Gesetzestext. weiter

mehr lesen