25 Jahre Mord an Olof Palme: Teil III – Schwedens ewiges Trauma

Olof Palme im Jahr 1968. Foto: Sten-Åke Stenberg

Im Oktober 1988 sollte wieder Bewegung in die Fahndung kommen, als sich ein neuer Hauptverdächtiger herausschälte: Christer Pettersson. Der Kleinkriminelle passte nicht nur äußerlich zu der Beschreibung des Täters, er wies auch einen auffälligen Gang auf. Vor allem aber wurde er von Lisbet Palme identifiziert.

Pettersson wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Nur um in zweiter Instanz wieder frei gesprochen zu werden. Lisbet Palme hatte einen Tipp bekommen, wen sie zu identifizieren hatte. Außerdem fehlte die Mordwaffe und nicht zuletzt ein einleuchtendes Motiv.

Nur eine weitere Ermittlungspanne? Pettersson jedenfalls ist auf freiem Fuß, zeigt sich im Fernsehen, verdient Geld mit dem Verkauf seiner Story. Er avanciert zu einer Art Kultfigur. Selbst ein Getränk wird nach dem Alkoholiker benannt – Wodka Explorer mit Bailey’s.

Ähnlich wie Victor Gunnarsson stirbt auch Christer Pettersson unter mysteriösen Umständen. Im September 2004 wird er mit schweren Kopfverletzungen ins Karolinska Krankenhaus in Solna bei Stockholm eingeliefert. Die Verletzungen hatte er sich bei einem Sturz zugezogen, die Umstände des Vorfalls bleiben jedoch unklar. Pettersson stirbt im Alter von 57 Jahren an einer Hirnblutung.

Selbst nach seinem Tod sorgt Pettersson noch für Schlagzeilen. Im Februar 2007 wendet sich seine ehemalige Lebensgefährtin an den Journalisten Lennart Håård von der Zeitung Aftonbladet. Sie erklärt, Pettersson selbst habe verfügt, dass sie nach seinem Tod Håård kontaktieren solle. Ihr gegenüber habe Pettersson den Mord zugegeben. Er wolle sich mit Palmes Sohn Mårten treffen, um ihn um Verzeihung zu bitten. Zwei Wochen vor dem geplanten Treffen starb Pettersson.

Oft als Graffiti zu sehen: Christer Pettersson. Foto: Daniel Mott

Doch wie glaubwürdig ist dieses posthume Geständnis? Der Großteil der schwedischen Bevölkerung ist sich inzwischen sicher, dass Pettersson tatsächlich der Mörder war. Trotzdem: Auch 25 Jahre nach der Tat gibt es immer noch eine Ermittlungskommission mit zwei Vollzeitbeschäftigten. Immer noch sind 50 Millionen Kronen Belohnung für die Ergreifung des Mörders ausgesetzt.

2011 wäre der Palme-Mord nach altem Recht verjährt. Doch diese Gesetzgebung wurde im letzten Jahr kurzerhand gekippt. Schweden hat sein Trauma noch nicht überwunden. Dabei gab es in den zweieinhalb Jahrzehnten, die mittlerweile vergangen sind, kaum eine abstruse Theorie, die nicht irgendwann mal diskutiert wurde.

Da gab es z.B. die Südafrika-Theorie, nach der die Geheimpolizei des Apartheid-Regimes hinter dem Mord stand. Oder die Irak-Iran-Theorie. Palme war Sondervermittler zwischen beiden Staaten und setzte sich stark für ein Friedensabkommen ein. War er einer der beiden Seiten ein Dorn im Auge? Oder eher den Waffenhändlern, die vom Dauerkonflikt am Golf profitierten?

Eine Gruppe gewaltbereiter Rechtsextremer innerhalb der schwedischen Polizei sollte es gewesen sein, genauso wie die Schergen des chilenischen Diktators Pinochet oder die RAF. Bisher sind jedoch sämtliche Spuren im Sand verlaufen.

Wurde 2003 Opfer eines Attentates: Schwedens Außenministerin Anna Lindh. Foto: Vesa Lindqvist/Matti Hurme

Pünktlich zum Jubiläum kommt auch das Nachrichtenmagazin Focus mit einer neuen Theorie. Der jugoslawische Geheimdienst soll hinter der Tat stehen. Der Auftragskiller, der Palme erschossen habe, sei inzwischen 65 Jahre alt und erfreue sich seines Lebens in Zagreb.

Fahndungschef Stig Edqvist nimmt es eher gelassen. Das mag daran liegen, dass er seit nunmehr 14 Jahren den Job bekleidet und in dieser Zeit schon so manche abenteuerliche Theorie gehört hat. Die Jugoslawien-Spur wurde übrigens schon in den 80er-Jahren verfolgt. Ohne Ergebnis – wie so viele.

25 Jahre liegt die Tat nun zurück, ein Vierteljahrhundert. Nicht unwahrscheinlich, dass der Täter sein Wissen mit ins Grab nimmt oder schon genommen hat. Vielleicht in jenes von Christer Pettersson. Der Mord an Olof Palme hat sich jedoch tief in das schwedische Bewusstsein eingebrannt. Schweden habe seine Unschuld verloren, hieß es allerorten. Zu Recht. Das Land hat tiefe Narben davon getragen, die wohl nie ganz heilen werden. Spätestens der Mord an Außenministerin Anna Lindh 2003 ließ die alten Wunden schmerzhaft wieder aufklaffen. Damals wurde der Mörder – ein verwirrter Einzeltäter – schnell gefasst.

Das Rätsel Palme bleibt jedoch ungelöst.

Autor: Sven Weiss – sv.weiss@gmx.de

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