Schweden und die EU –unter blau-gelber Flagge

Das ist Schweden, Mentalität, Wissenswertes

Ab 1. Juli 2009 hat Schweden den Ratsvorsitz in der Europäischen Union. Diese Position, die alle sechs Monate an einen anderen Mitgliedsstaat weitergegeben wird, beauftragt die Schweden unter anderem damit, die EU nach außen zu vertreten und Ansprechpartner für Drittstaaten zu sein. Wie wird Schweden diese Aufgabe erfüllen? Welches Verhältnis haben die Schweden überhaupt zur EU?

„Schwedens Alkoholmonopol verstößt gegen freien Warenverkehr in der EU“ –  diese Nachricht ging im Juni 2007 durch die Presse. Die schwedische Regierung hatte es auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ankommen lassen, ob Privatpersonen Alkohol über das Internet importieren und damit das Alkoholmonopol des „Systembolaget“ umgehen dürfen. In Schweden verkauft nur dieses staatliche Unternehmen Spirituosen mit mehr als 3,5 Prozent Alkohol, in Supermärkten endet das Angebot an der Leichtbiergrenze. Das oberste Gericht der EU entschied zugunsten des freien Warenverkehrs und gegen die Argumente des Jugendschutzes, mit denen die schwedische Regierung ihr Monopol verteidigte. Die Bevölkerung reagierte erfreut, importierten doch deren reiselustige Teile schon eifrig Hochprozentiges aus den Duty-Free-Shops der Welt.

Als Schweden 1995 der Europäischen Union beitrat, sorgte eine Ausnahmeklausel in der Beitrittsakte dafür, dass eine andere nationale Besonderheit erhalten blieb: Der Snus-Konsum. Der Verkauf der kleinen Tabakbeutel, die man unter die Lippe oder unter die Zunge schiebt, ist in der EU nur in Schweden erlaubt. In allen anderen Ländern ist dieser durch die Tabakrichtlinie verboten. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach Gemeinschaft, sondern nach einer Nation, die lieber ihre Tradition hochhält, als sich einzuordnen.

Im Herbst 1994 stimmte eine knappe Mehrheit der schwedischen Bevölkerung für den Beitritt zur EU, und am 1. Januar 1995 war es soweit, Schweden wurde Mitglied der Staatengemeinschaft. Finnland trat gleichzeitig mit Schweden bei, Dänemark bereits 1973; in Norwegen sprach sich 1994 eine knappe Mehrheit gegen den Beitritt aus. In der schwedischen öffentlichen Debatte hatten die politischen Parteien zwar Tendenzen für oder gegen die Zugehörigkeit, aber die großen Parteien waren sich relativ einig (Quelle: Ralf Laumer, „Vom Ende der Neutralität – Schwedische Sicherheitspolitik nach 1989“). Die Befürworter betonten die wirtschaftlichen Vorteile für Schweden, z.B. wegen seiner Rolle als Exportland. Die Gegner belebten vor allem die Angst vor Verlust der traditionellen Neutralität in der Außenpolitik und wiesen auf Schwachpunkte der EU wie mangelnde Transparenz und Mitbestimmung hin.

Umfragen zeigen, dass seit 1995 die öffentliche Meinung zur Mitgliedschaft immer wieder schwankte. Bis 2001 waren eher die Kritiker in der – wenn auch knappen – Mehrheit, danach stieg die Anzahl derer, die mehr Vorteile für ihr Land sahen. Die Zustimmung war unter den konservativen Wählern durchgehend am Höchsten (Quelle: SOM-Institut, Göteborg, März 2007). Im Frühjahr 2008 beurteilten 54 Prozent der Schweden die EU-Mitgliedschaft als positiv und lagen damit sogar zwei Prozent über dem EU-Durchschnitt.

Wenn man heute nach Schweden reist, bleibt man also im politischen Europa. Trotzdem darf man Geld tauschen: Bisher haben die Schweden ihre Krone nicht aus der Hand gegeben; 15 EU-Mitgliedsstaaten zahlen inzwischen mit dem Euro, in Skandinavien ist er nur in Finnland offizielle Währung. Zuletzt stimmten die Schweden 2003 mit einer knappen Mehrheit gegen die gemeinsame europäische Währung. Ein Grund für die Ablehnung war die Befürchtung, mit der gemeinsamen Währung könnte auch geringeres Wirtschaftswachstum und höhere Arbeitslosigkeit Einzug halten. Für den Euro stimmten vor allem diejenigen, die sich davon Anreize für ausländische Investoren und erleichterten Handel innerhalb Europas – ohne Wechselkurse – versprachen. Inzwischen ist die Frage erst einmal auf Eis gelegt, die Regierung will nicht vor 2012 erneut darüber abstimmen lassen. Die Schweden rechnen aber damit, dass der Euro die Krone in den nächsten Jahren ablösen wird.

Schweden gehört zu den größten Nettozahlern in der Union, das heißt, es zahlt mehr, als es in Form von Beihilfen zurück erhält. Dies erklärt die Regierung den Bürgern auf ihrer Homepage damit, dass es EU-Beihilfen vor allem für die Landwirtschaft gibt, und dass diese in der schwedischen Wirtschaft nur einen kleinen Teil ausmacht.

Auch in Zukunft soll nicht mehr Geld, das aus Schweden in die EU-Kasse kommt, in die Landwirtschaft fließen. Dies ist aber nur einer der Punkte auf der Agenda des schwedischen Vorsitzes. Schweden hat zusammen mit Frankreich und Tschechien – seinen beiden Vorgängern im Amt der Ratspräsidentschaft – im Mai 2008 das gemeinsame 18-Monats-Programm vorgestellt. Die schwedische Regierung betont davon für ihre EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2009 besonders die Bereiche Klima, Energie und Umwelt. Damit trifft sie den Nerv der Bevölkerung, denn in einer Umfrage der Europäischen Kommission im Frühjahr 2008 gab die Mehrheit der befragten Schweden an, dass die schwedische Regierung vor allem in den Bereichen Umweltschutz und Terrorismusbekämpfung gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedern handeln sollte. Weitere Schwerpunkte des Programms sollen mehr Sicherheit und Transparenz in Europa sein. Darüber hinaus stehen Arbeitsplätze, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Ostseeregion und die Erweiterung der EU auf dem Plan.

Cecilia Malmström, die schwedische Europaministerin, kündigt einen kompetenten Vorsitz an, der die wichtigen Prozesse in der Union vorantreiben wird. Schweden tritt die Präsidentschaft direkt nach den Wahlen zum Europäischen Parlament an, die Anfang Juni 2009 stattfinden. Außerdem soll der Vertrag von Lissabon, der Reformvertrag der Europäischen Union, 2009 in Kraft treten; so werden die Schweden eventuell als erstes Land der EU in ihrer neuen Form vorsitzen. EU-Ministerin Malmström sieht darin für Schweden eine Herausforderung, aber auch die Chance, die Umsetzung des Vertrages zu gestalten. „Die Vision Schwedens ist die einer Präsidentschaft, in der Viele sich wiederfinden und die Fragen kennen, die Schweden vorantreibt.“, verspricht sie, „Die Schweden werden stolz auf ihr Land und unsere Präsidentschaft sein!“

Literatur: Ralf Laumer, „Vom Ende der Neutralität – Schwedische Sicherheitspolitik nach 1989“, Tectum Verlag 1997

(Autor: Judith Hammer)

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