Die Hansezeit in Schweden

Das ist Schweden, Geschichte, Wissenswertes

Hans Holbeim der Jüngere malte das wohl berühmteste "Hanse-Bild": Kaufmann Giese.

Hans Holbeim der Jüngere malte das wohl berühmteste „Hanse-Bild“: Kaufmann Giese.

In der Hansezeit sowie auch zur Zeit Gustav Vasas und der Reformation kamen entscheidende wirtschaftliche, politische und kulturelle Impulse für Schweden aus Deutschland. Die Hanse als länderübergreifende Handelsvereinigung spielte dabei eine bedeutende Rolle.

Noch in der Wikingerzeit bestand der schwedische Handel vor allem aus Tauschgeschäften und war relativ primitiv. Die Schiffe hatten nur wenig Ladefläche, und gehandelt wurde mit Waffen, Pelzen, Stoffen, Luxusartikeln und Sklaven. Lag der skandinavische Handel nach der Wikingerzeit relativ darnieder, wurde dieser mit der Hanse unter der Führung Lübecks schnell wieder auf- und ausgebaut. Schrift und Zahlen bekamen größere Bedeutung, die Hanse brachte das Geldwesen nach Skandinavien und der intensive Handel eine Vielzahl von Kontaktpunkten entlang der schwedischen Küste mit sich.

Unter Heinrich dem Löwen kamen 1161 die ersten deutschen Kaufleute nach Gotland. Die Frühform der Hanse, die Genossenschaft der Gotlandfahrer, verdrängte bald die Gotländer aus dem Ostseehandel. Mitte des 13. Jahrhunderts übernahmen deutsche Städte die Handelsvormacht.  Mit dem schwedischen Festland trieben deutsche Kaufleute in größerem Umfang nach Gewährung gewisser Privilegien durch Knut Eriksson 1173 Handel. Zunächst lag der Schwerpunkt auf Südschweden, später wurde dann Mittelschweden, v.a. das um 1250 unter starker Mitwirkung der Deutschen gegründete Stockholm, für die Hanse am wichtigsten.

König Birger Jarl räumte den Lübeckern und Hamburgern Mitte des 13. Jahrhunderts umfangreiche Privilegien ein, z.B. Zollfreiheit und ein Handelsmonopol, die bis ins 15. Jahrhundert oft umkämpft aber immer wieder bestätigt wurden.

Ihre Blütezeit erlebte die Hanse von der Mitte des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts. Sie dominierte den gesamten Ostseehandel mit ihrer Transportkapazität, ihrem Nachrichtensystem, ihrer Finanzkraft, mit Verhandlungsgeschick und realer politischer Macht. Mitte des 14. Jahrhunderts waren auch Stockholm, Kalmar und Nyköping Mitglied der Städtehanse. Während der Hansezeit wurde Stockholm zum wichtigsten Exporthafen Schwedens.

Die wichtigsten schwedischen Exportartikel der Hansezeit waren Kupfer und Eisen, daneben Pelze, Felle, Butter, Ochsen und Fisch. Importiert wurde vor allem Salz, aber auch Stoffe, Kräuter, Bier, Rheinwein, Seife sowie Luxuswaren für den schwedischen Adel (Gold-, Silberschmuck, Edelsteine etc.).

Durch die Hanse erhielt Schweden Zugang zum europäischen Markt und Anschluss an die modernere Kultur Kontinentaleuropas. Die Hanse organisierte den Außenhandel Schwedens und baute diesen zu einem zuvor unbekannten Umfang aus, der Löwenanteil des Gewinns ging jedoch in deutsche Taschen.

Um 1500 hatte die Hanse ihre Machtstellung weitgehend eingebüßt. Gustav Wasa bestätigte die Hanseprivilegien 1523 zwar zunächst noch. Um ein eigenes Wirtschaftssystem aufzubauen, entzog er sie den Lübeckern jedoch 1533 und vertrieb diese schließlich aus Schweden.

Deutsche Einflüsse

Den norddeutsche Kaufleute, die sich ab dem 12. Jahrhundert in Schweden niederließen, folgten bald in großer Zahl deutsche Handwerker, Bergleute, Adelige, Landsknechte, Bauleute, Beamte und Kunsthandwerker. Die Einwanderung aus Deutschland, v.a. aus Lübeck, aber auch aus Westfalen und vom Niederrhein, war so groß (größer übrigens als in Dänemark und Norwegen), dass in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts etwa die Hälfte der Bürger einer durchschnittlichen schwedischen Stadt Deutsche waren.

Engelbrekt Engelbrektsson, ein Deutscher, der zum schwedischen Freiheitskämpfer wurde.

Engelbrekt Engelbrektsson, ein Deutscher, der zum schwedischen Freiheitskämpfer wurde.

Mit deutscher Hilfe entwickelten sich somit Orte wie Kalmar, Söderköping, das neugegründete Stockholm, Linköping, Jönköping, Örebro, Västerås, Visby oder Uppsala zu Städten nach deutschem Vorbild mit fester Bauweise, Straßennetz und Plätzen, Stadtmauern und Wallgräben. Stockholm beispielsweise, wo der deutsche Einfluss insgesamt am größten war, ist auffällig geplant wie Stralsund. Bürgerhäuser und Stadtkirchen wurden nach norddeutschen Vorbildern erbaut und die Stadtverwaltung war nach deutschem Vorbild organisiert.

Mitte des 14. Jahrhunderts, zur Blüte der Hansezeit, sah sich Magnus Eriksson in seinem Stadtrecht dazu genötigt, festzulegen, dass Deutsche höchstens die Hälfte der Sitze im Stadtrat und anderer Vertrauensposten in schwedischen Städten innehaben dürften. Als jedoch 1397 in Kalmar die gleichnamige Union der drei nordischen Länder beschlossen wurde, saßen im Stadtrat fünfmal so viele Deutsche wie Schweden! Und auch in Stockholm wurde diese 50:50-Aufteilung bis 1436 zugunsten der Hanseaten missachtet. Allerdings war es nicht immer ganz einfach zu sagen, wer Deutscher und wer Schwede war, da sich die Deutschen gut assimilierten und manchmal schwedische Namen annahmen. Der schwedische Freiheitskämpfer Engelbrekt Engelbrektsson etwa war Schwede mit deutschen Wurzeln.

Bis ins 15. Jahrhundert bestand in der politischen und wirtschaftlichen Führungsschicht schwedischer Städte ein deutsches Übergewicht. Von der schwedischen Bevölkerung waren es sicher hauptsächlich die oberen Schichten, die in direkten Kontakt mit den Deutschen kamen, dafür hatten diese Schichten wirtschaftlich, politisch und kulturell großen Einfluss.

Während der Hansezeit kamen vier schwedische Regenten aus Deutschland: Albrecht von Mecklenburg (1363-13–89), Erik von Pommern (1396-–1439), Kristofer von Bayern (1441–-1448) und Kristian von Oldenburg (1457–-1464). Unter der Regierung König Albrechts war der deutsche Einfluss in Schweden am stärksten. Das Landesrecht König Kristofers von Bayern (Kristofers landslag) war von 1442 bis 1736 Schwedens offizielle Gesetzessammlung.

Ende des 13. Jahrhunderts wurde der industrielle Bergbau und die kommerzielle Vermarktung von deutschen Spezialisten organisiert. König Magnus Ladulås hatte eigens Deutsche, v.a. aus dem Harz, geholt, um die schwedischen Erzschätze durch verbesserte Technik und einen planmäßigen Grubenbetrieb abzubauen. Das Kapital dafür kam aus Lübeck.

Auf handwerklichem Gebiet brachten die Deutschen neue Methoden und neue Berufe nach kontinentalem Vorbild nach Schweden. Zudem wurde das gesamte schwedische Zunftwesen nach deutschem Muster organisiert.

Im 15. Jahrhundert war die Menge hanseatischer Kunst in Skandinavien umfangreicher als etwa italienische im Deutschland des 16. Jahrhunderts. So wurde beispielsweise der Altar des damals berühmten Birgittenklosters in Vadstena, das sicherlich ein künstlerisches Strahlungszentrum für ganz Schweden war, 1455 bis 1459 von Lübecker Künstlern geschaffen. Und der Kirchenmaler und Bildhauer Bernd Notke aus Lübeck schloss 1489 seine Arbeit an der berühmten St. Georgsgruppe ab, die damals sicherlich der größte zu vergebende Auftrag in Schweden war.

Die Bedeutung der Deutschen auf allen Gebieten brachte einen grundlegenden Einfluss auf die schwedische Sprache mit sich. Niederdeutsch galt als vornehm, schick und modern und war in ganz Nordeuropa noch nach der Hansezeit die „lingua franca“.

Zwar studierten auch schon im 14. Jahrhundert vereinzelt skandinavische Studenten an deutschen Universitäten (Prag, Erfurt), als 1419 jedoch die Universität in Rostock gegründet wurde, avancierte diese schnell zur Hauptbildungsstätte der Oberschicht in Skandinavien. Ab 1456 war vor allem für Schweden auch die Universität Greifswald von Bedeutung. Auch nach der Gründung der ersten schwedischen Universität in Uppsala 1477, blieb ein Studium an einer der beiden norddeutschen Hochschulen die Regel für alle weiterstrebenden jungen Kräfte Skandinaviens.

In schwedisch-lübecker Zusammenarbeit kam Gustav Wasa, der sich 1519/–20 in Lübeck aufgehalten hatte, 1523 auf den schwedischen Thron.
Die Jahre 1538–43 werden aufgrund des starken deutschen Einflusses oft auch „Deutsche Periode“ genannt. Wasa holte sich in dieser Zeit politisch erfahrene Ratgeber und Mitarbeiter aus Deutschland, die seine Politik ideologisch und organisatorisch beeinflussten. Die Deutschen gründeten Ämter und Kollegien und auch die Außenpolitik war stark deutsch geprägt.

Im Hinblick auf die Reformation ist ein deutscher Einfluss natürlich zu erwarten. So hatte der schwedische Reformator Olaus Petri (Olov Petersson) 1516/–18 als Schüler Luthers, wie sein Bruder, der erste lutherische Erzbischof von Uppsala, in Wittenberg studiert. Außerdem wurde die evangelische Bewegung in Stockholm zuerst von der deutschen Bevölkerung aufgenommen. Reformatorische Schriften waren darüber hinaus oft Übersetzungen aus dem Deutschen.

Schweden hat noch das ganze 16. Jahrhundert hindurch von deutschem Gedankengut, v.a. dem Luthers, gelebt. Die schwedischen Bibelübersetzungen des 16. Jahrhunderts folgten im Wesentlichen der Übersetzung Luthers und daneben wurden sein Katechismus, seine Kirchenlieder und Kirchenpostillen ins Schwedische übertragen.  Daneben traten viele deutsche Bürgersöhne in den Dienst der Kirche und hatten als Priester und Bischöfe großen kulturellen Einfluss.

(Autor: Björn Kohlhepp)

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