Das schwedische Modell: Elternversicherung mit Papamonat

Das ist Schweden, Mentalität, Wissenswertes

Seit 2007 gibt es in Deutschland ein neues Gesetz zum Elterngeld und die Sozialministerin Ursula von der Leyen soll sich die Inspiration dazu aus Schweden geholt haben. Nun ist natürlich interessant zu wissen, wie es denn in Schweden ist. Ist es für Männer leichter in Elternzeit zu gehen? Werden dort mehr Kinder geboren?

Die Väter zu ermuntern, sich aktiver um den Nachwuchs zu kümmern und die gesellschaftliche Toleranz herzustellen, dauert. Es gibt in Schweden tatsächlich mehr Männer im Erziehungsurlaub als hierzulande, aber das hat eine lange Geschichte.

Der Anfang dieser Geschichte liegt im Jahr 1974 an, als aus „moderskapspenning“ (= Muttergeld) die „föräldrarförsäkring“ (= Elternversicherung) wurde, um dadurch die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern voran zu bringen.

Der schwedische Gewichtheber Lennart „Hoa Hoa“ Dahlgren posierte 1978 mit einem kleinen Kind auf den muskulösen Oberarmen. Das Bild wurde auf Postern und Flyern der staatlichen Krankenkasse „försäkringskassan“ verbreitet. Die Botschaft war, auch große starke Männer können kleine Kinder versorgen. Die großaufgelegte Werbekampagne hatte derzeit aber wenige Männer dazu bewegt, in Elternzeit zu gehen und nicht mal „Hoa Hoa“ selbst hat Elternzeit genommen.  Das Bild von dem muskulösen Mann im blau-gelben T-Shirt, der ein Baby anlacht, ist aber doch sehr erfolgreich gewesen. Es wird gelegentlich immer noch benutzt, wenn es um das Thema „Väter in Elternzeit“ geht.

Bengt Westerberg, Sozialminister in der bürgerlichen Regierung 1991-1994, bekam in zweiter Ehe noch ein Kind und war mit ihm eine Zeit lang zu Hause. Er war davon sehr begeistert und wollte unbedingt anderen Männer ermöglichen, auch Vollzeit mit dem eigenen Kind zu verbringen, wobei manche diese Möglichkeit eher als „Zwang“ sahen und nicht unbedingt als eine „Bereicherung“ empfanden.  Das Wort „Pappamånad“ (Papamonat) hängt aber seitdem unabdingbar mit dem Namen Bengt Westerberg zusammen.

2002 baute die sozialdemokratische Regierung diesen „Monat“ auf zwei Monate aus (60 Tage) und es wurde auch diskutiert, ob es nicht gesetzlich zu regeln sei, dass sich die Eltern jeweils die Hälfte der Erziehungszeit teilen müssen. Die jetzige bürgerliche Regierung, seit Herbst 2006 an der Macht, sieht hier allerdings wenig Handlungsbedarf. Sie meinen, das sind Fragen, die jede Familie am besten selbst am Küchentisch klären können. Die so genannten familiären Küchentischgespräche sind wichtig, aber durch die Geschichte nicht wirklich geprägt von Entscheidungen, welche die Frauen in der Gesellschaft vorangebracht haben.

Unumstritten ist dieses Thema in Schweden auch nicht. Die Autorin Anna Wahlgren z.B. vertritt die Meinung, das jedes Kind die ersten drei Jahren bei der Mutter bleiben soll, sonst wird es später depressiv und bekommt Drogenprobleme.  Frau Wahlgren ist eine selbsternannte Kinderexpertin, hat mehrere Bücher über Kindererziehung geschrieben und da sie selbst neun Kinder geboren hat, kann man ihr eine gewisse Kenntnis der „Materie“ nicht absprechen, aber ob sie hier Recht hat, wird von vielen bezweifelt.

Das  schwedische Elterngeld  wird insgesamt 480 Tage ausbezahlt. 390 davon werden mit 80% des Einkommens von dem Elternteil, das zu Hause bleibt, durch die  Krankenkasse vergütet. Die restlichen 90 Tage gibt es nur eine Maximalsumme von 180 SEK (etwa 19 Euro) am Tag, gleich für alle, egal wie viel man vorher verdient hat. Die Obergrenze dieser 80%-Regel beträgt seit 1.1.2007 403 000 SEK (etwa 43 575 Euro).

Diese 480 Tage stehen beiden Eltern zu. Ein Elternteil kann auf einen Teil zu Gunsten des anderen verzichten, aber 60 Tage sind nicht übertragbar. Diese Zeit  ist auch wie bereits erwähnt als „Papamonat“ bekannt. Diese beiden  „Papamonate“ sind das mindeste an Einsatz mit Wickeleimer und Breilöffel, was von einem schwedischen Vater verlangt wird. Noch wird jedoch die meiste Erziehungszeit von den Müttern geleistet.

2006 wurden 21 % der 480 Tage von den Vätern in Anspruch genommen. Diese Zahl steigt laut der Statistik der „Försäkringskassan“ jedes Jahr mit ein paar Prozentpunkten.

Falls kein geteiltes Sorgerecht mit dem anderen Elterteil besteht (ist in Schweden die Regel, auch wenn die Eltern nicht verheiratet sind), darf derjenige, der das Sorgerecht hat, das volle Elterngeld für die gesamte Zeit beziehen.

Zusätzlich bekommt der schwedische Vater mit Leistung der Krankenkasse auch 10 Tage ab Geburt des Kindes frei, um sich um seine Familie zu kümmern.  Das sind die so genannten „Papatage“, eine Art Sonderurlaub.

Die gleichen Regeln gelten für Paare, die ein Kind adoptieren. Aber statt dem Geburtstag zählt hier der Tag, an dem das Kind in die Pflege der Eltern übergeht als Tag 1 in der Elternversicherung. Die zehn „Papatage“  können für diese Familien zwischen Mutter und Vater geteilt werden.

Belegt ist, dass mehr Männer in Elternzeit gehen, aber kann auch dieser staatliche Maßnahmekatalog den „Gebärwillen“ beeinflussen? So etwas lässt sich schlecht messen aber etwas was messbar ist, ist das in Schweden im Durchschnitt 1,8 Kinder je Frau geboren werden, in Deutschland sind es nur 1,2.

Viele Deutsche schwärmen von Schweden als einem kinderfreundlichen Land. Auf jeden Fall ist es elternfreundlicher, siehe Elternversicherung, ausreichende Krippen- und Kindergartenplätze, die bezahlbar sind, Ganztagesschule und Hort. Das macht es für beide Eltern möglich, weiterhin berufstätig zu sein und sich die Verantwortung für den Nachwuchs gerechter zu teilen.

Quellen: Försäkringskassan statistik, SCB, wikipedia

(Autor: Carina Middendorf)

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