Carl Michael Bellman – ein Mann der Gegensätze

Das ist Schweden, Persönlichkeiten, Wissenswertes

Lebensfroher Barde und bis heute Nationaldichter Schwedens. Carl Michael Bellman.

Lebensfroher Barde und bis heute Nationaldichter Schwedens. Carl Michael Bellman.

Alle Schweden kennen ihn. Viele seiner Lieder singen die Schweden noch heute: Carl Michael Bellman. Er war einer der bekanntesten und vielseitigsten Sänger und Lieddichter seiner Zeit.
Von vielen Zeitgenossen wurde er bewundert und gefeiert; sogar so sehr, dass ihm Gustav III., der viel für die Kunst übrig hatte, aus seiner Privatschatulle finanziell unterstützte. Andere sorgten sich um das Seelenheil der Menschen, die seinen gottlosen Liedern zuhörten. So rief das Domkapitel in Lund im Jahre 1768 Pfarrer dazu auf, alle Kopien des Liedes Gubbe Noah einzusammeln, um sie dann zu verbrennen.

Der bürgerliche Bellman
Das wechselvolle Leben, das Carl Michael Bellman in Stockholm führte, war ihm nicht an der Wiege gesungen worden. Als er im Jahre 1740 in einem wohlhabenden Elternhaus das Licht der Welt erblickte, schien ihm eine Karriere als Sekretär am Königshof oder als Gelehrter an der Universität offen zu stehen. Schließlich arbeitete sein Vater bereits erfolgreich in der Schlosskanzlei und sein Großvater war Professor für römische Rhetorik an der Universität Uppsala. Als ältester von 15 Geschwistern genoss Carl Michael eine sehr gute Ausbildung. An einer Privatschule erhielt er u.a. Unterricht in Verslehre. Bereits als 17jähriger veröffentlichte er zwei Bücher, die bereits sein dichterisches Talent bewiesen.
Schon als Jugendlicher begann er Instrumente zu spielen. Sein Lieblingsinstrument war das Citrinchen, auf dem er nach eigenen Angaben bald wahrhaft virtuos spielen konnte. Allerdings lernte er nie Notenlesen. Die Melodien seiner zahlreichen Lieder ließ er später von notenkundigen Musikern niederschreiben.

Bellman lebte von 1740 bis 1795.

Bellman lebte von 1740 bis 1795.

Der rote Faden in Bellmans Leben: finanzielle Probleme
Nach dem Examen im Jahre 1758 trat Bellman als Student in die Akademie der Wissenschaften ein. Doch bereits nach dem ersten Semester gab er sein Studium auf. Etwa ein Jahr später begann er als Angestellter bei der Reichsbank.
Schon bald fingen Bellmans finanzielle Probleme an, die sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben ziehen sollten und die 1763 dazu führten, dass er vor seinen Gläubigern nach Norwegen fliehen musste. Zwar konnte er nach kurzer Zeit wieder nach Stockholm zurückkehren, seine Banklaufbahn war jedoch beendet. Dennoch lebte er weiterhin über seine Verhältnisse: ausschweifende Kneipenbesuche, kostspielige Aufenthalte am Hofe Gustaf III. und seine Großzügigkeit gegenüber Menschen in Not verschlimmerten seine schlechte wirtschaftliche Lage. Und das, obwohl er quasi bis zu seinem Tod immer in Lohn und Brot stand: Zwischen 1764 und 1767 arbeitete Bellman zunächst im Manufakturbüro Anders Lissander und dann als Generalzolldirektor. Im Jahre 1776 wurde er Sekretär bei der Nummernlotterie und im selben Jahr ernannte in Gustaf III. zum königlichen Hofsekretär.

Der Musiker und Parodist
Seine wahre Bestimmung zum Musiker offenbarte sich Bellman endgültig im Jahre 1765 als seine Eltern starben. Plötzlich fühlte er sich frei, ohne Rücksicht auf Manieren und den guten Geschmack zu dichten und zu singen. Oft wurde er für Hochzeiten engagiert, wo er sein Können als Bibelparodist unter Beweis stellte. Doch hauptsächlich war er ein gern gesehener Gast in den Stockholmer Kneipen, wo er die anderen Gäste mit seinen Liedern unterhielt. Hier entstanden viele Trinklieder. Und seine oft sehr detaillierten Schilderungen über den rauschhaften Alkoholgenuss und dessen Folgen lassen darauf schließen, dass Bellman häufig genauso betrunken war, wie die Figuren seiner Lieder.

Fredmans Episteln (Fredmans Epistlar)
Viele der Lieder, die in dieser Zeit entstanden, versammelte Bellman in Fredmans epistlar. In den insgesamt 82 Liedern verballhornte er die Figuren des Alten Testaments (wie z.B. Gubbe Noah) und parodierte er die religiöse Sprache. Doch nicht nur das machte ihn so beliebt. Bellman sang auch über die Natur und das Leben und die Sorgen des einfachen Volkes in und um Stockholm. Menschen, mit denen Bellman täglich zu tun hatte, bildeten die Vorlagen für die Figuren in den Liedtexten, z.B.: Jean Fredman, der versoffene Uhrmacher „utan ur, verkstad och förlag”; Ulla Winblad, die mal eine Hure oder mal eine Priesterin ist.

Fredmans Sånger und der Bacchus Orden
Ein Jahr später, 1791, erschienen die Sammlung Fredmans Sånger, die zahlreiche Lieder, die in seinem ganzen Dichterleben entstanden sind: Trinklieder, Gesellschaftssatiren und Satiren auf die zahlreichen Orden, die es in Schwedens Hauptstadt gab. Auch Bellman war Mitglied in einigen solcher Orden, die für ihre oft heimlichen Zeremonien berühmtberüchtigt waren. Als Künstler konnte Bellman nicht widerstehen, diese seltsamen Auswüchse der Stockholmer Gesellschaft auf die Schippe zu nehmen und in seinen Liedern zu besingen: Er gründete dafür in seiner Fantasie den Bacchus Orden, in dem nur Mitglied werden durfte, wer bereits zweimal besinnungslos im Rinnstein gelegen hat. Die Hauptfiguren entstammten – wie auch bei den Episteln – der Realität.

Bellman – ein Mann der Gegensätze
Nachdem Gustaf III. im Jahre 1792 einem Attentat zum Opfer gefallen war, verschlechterte sich Bellmans finanzielle Lage vollends. Mehrfach musste er ins Gefängnis, weil er seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte. Drei Jahre später starb Carl Michael Bellman hochverschuldet an Lungentuberkulose.

Bellman schrieb Parodien auf die Kirche, gleichzeitig dichtete er ernsthafte Verse für die Messe. Selbst war er ein Gegner des Krieges, doch wenn es notwendig war, verfasste er Kriegsgedichte für Gustaf III. Als Person war er ebenso schwer zu fassen: Einerseits war er ein sorgloser Lebemann, der es mit der Treue zu seiner Ehefrau Lovisa nicht besonders genau nahm, andererseits war Bellman ein liebevoller Vater für seine drei Söhne. Vielleicht sind es jedoch gerade diese Gegensätze, aus denen Carl Michael Bellman seine künstlerische Stärke zog, die ihn bis heute auch über die Grenzen Schwedens hinweg so populär sein lässt.

Bellmans Einfluss
Bereits dreißig Jahre nach Bellmans Tod gründete sich die Bellmangesellschaft (http://www.bellman.org/), die bis heute tätig ist und zahlreiche Studien und Bücher über Bellman und seine Werke herausgegeben hat. Viele schwedische Dichter und Sänger, wie etwas Evert Taube, Dan Andersson oder Cornelis Vresswijk ließen sich von Bellmans Liedern inspirieren. Selbst in Deutschland ist Bellman ein Vorbild für Interpretationen und Übersetzungen.

Bekannte Lieder
Gubbe Noah
Så lunkar vi så småningom
Fjäriln vingad syns på Haga

Weitere Quelle:
Lars Huldén: Carl Michael Bellman. Svenska Institutet 1994.

Weiterführende Links:

(Autor: Manuela Freese-Wagner)

1 Kommentar

  1. Klaus-Rüdiger Utschick

    Sehr geehrte Frau Manuela Freese-Wagner,

    zwei sachliche Fehler und eine unzulässige Schlußfolgerung möchte ich anmerken:

    – Bellman mußte nicht „mehrfach“ ins Gefängnis; sondern 1 mal (im Frühjahr 1794).

    – Die Gesellschaft, die am 4. Februar 1824 gegründet wurde und nur wenig länger als bis 1844 bestand, war Bellmanska sällskapet. Die heute bestehende Bellmanssällskapet hingegen wurde erst am 4. Februar 1919 gegründet!

    – Die Schlußfolgerung, daß Bellman wegen seiner „oft sehr detaillierten Schilderungen über den rauschhaften Alkoholgenuss und dessen Folgen […] häufig genauso betrunken war, wie die Figuren seiner Lieder, ist nicht zulässig. Sonst könnte man auch schlußfolgern, daß geniale Kriminalschriftsteller vermutlich selbst Verbrechen begangen haben. Es gibt keinen Bericht über Bellman, de rapportiert oder ausd dem hervorgeht, daß er betrunken war, schon gar nicht „so betrunken wie die Figuren seiner Lieder“. Auch die Eintrittsbedingung in den fiktiven Bacchusorden („zweimal vor aller Augen betrunken im Rinnstein“) is ja nicht ernst gemeint, sondern eine Parodie auf die Statuten der damls florierenden „bierernsten“ Gesellschaftsorden. Bitte mal bei z.B. bei Gunnar Hillbom, Lars Lönnroth oder Leif Landen nachlesen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus-Rüdiger Utschick

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