Die Nummer gegen Hunger: Ein schwedischer Unternehmer in Hamburg und sein Einkaufsdienst für Lebensmittel

Der Unternehmer Jonas Carp (Foto: Scherberich)

Ein langer, anstrengender Arbeitstag geht zu Ende, endlich zuhause bei dem Partner und den Kindern! Doch schon steht man vor der nächsten Herausforderung: Was kocht man jetzt zu essen? Gesund und lecker sollte es sein, allen schmecken und natürlich abwechslungsreich und ausgewogen. Gar nicht so einfach, sich immer wieder neue Gerichte einfallen zu lassen und die passenden Zutaten gerade vorrätig zu haben. Der Schwede Jonas Carp gründete in Deutschland mit www.tischline.de einen Lebensmittel-Kochbox-Service, der zweimal die Woche eine Rezeptvorgabe und die dazu passenden Lebensmittel nachhause liefert. Damit will er vor allem junge, berufstätige Paare und Familien entlasten. Ein Modell, das in Schweden bereits ein Renner ist, setzt sich jetzt auch in Deutschland durch. Der Unternehmer Jonas Carp verriet Beate Scherberich, warum künstliche Zusatzstoffe für ihn nicht in die Tüte kommen.

Hallo Jonas, mir knurrt schon langsam der Magen, was gibt es denn heute Feines zu essen?
Heute gibt es Barbecue-Hühnerbrust aus dem Ofen, dazu mit Parmesan überbackenem Steinpilz-Risotto und frischen Brokkoli.
Wie bist Du eigentlich auf die Idee zu deinem Lieferservice gekommen?
Ich kannte das Konzept aus Schweden, damals, 2009, studierte ich an der Humboldt Universität in Berlin, und habe das Ganze erst einmal mit meinem Professor besprochen. Er meinte, einen Online- Lieferservice für Lebensmittel könne man in Deutschland nicht realisieren, die Versuche von namhaften Unternehmen waren schon gescheitert. Der deutsche Konsument wäre nicht bereit, den höheren Preis dafür zu zahlen, und die Lieferzeiten wären nicht transparent genug.
Ich habe ja mein ganzes Arbeitsleben lang mit Lebensmitteln zu tun gehabt, doch dann hat es noch einen Moment gedauert, ehe ich meinen Plan in die Tat umsetzen konnte. Ich habe mein BWL-Studium in Schweden abgeschlossen, bin dann nach Hamburg gezogen und ein Jahr später habe ich meine Firma gegründet.
Du hast als Schwede in Deutschland ein Unternehmen gegründet. Hast Du das Gefühl, dass Du es als schwedischer Unternehmer in Deutschland schwieriger hattest?
Na ja, natürlich ist es schwieriger, sich als Neubürger selbstständig zu machen, weil man Sprache und Kultur nicht so gut wie beherrscht wie die Deutschen, aber beides habe ich in den letzten Jahren in Deutschland gut mitgekriegt. Auf der anderen Seite ist Schweden als Land sehr beliebt in Deutschland und das ist vielleicht von Vorteil, wenn man ein Netzwerk aufbaut. Ich finde nicht, dass ich irgendwie benachteiligt wurde.
Hast Du Unterschiede festgestellt, zwischen dem deutschen und dem schwedischen Arbeitsmarkt, den Behörden etc.?
Ja, es gibt wesentliche Unterschiede: Schweden ist ein Wohlfahrtsstaat und in den meisten Branchen gibt es Gewerkschaften, die durch Verhandlungen und Tarifbindungen bessere Löhne entwickelt haben, was es in Deutschland nicht so gibt. Vor allem hat man als Mitarbeiter ohne Ausbildung ein sehr geringes Gehalt. Da gibt es in vielen Branchen geringe Löhne und man sieht, dass der Abstand zwischen Arm und Reich sehr groß ist. Die Behörden sind viel bürokratischer, das ist vielleicht für einen Schweden schwierig zu akzeptieren. So eine kleine Sache wie die Immatrikulation an der Uni, das dauert in Schweden zehn Minuten, in Berlin hat das zwei Tage gebraucht.
Wer ist Deine Zielgruppe?
Hauptsächlich berufstätige Frauen die in der Stadt wohnen, insbesondere Doppelverdiener wie junge Paare und Familien, die sich einen gemeinsamen Haushalt teilen.
Mit Lebensmitteln ist das ja immer so eine Sache, viele Menschen heutzutage reagieren allergisch auf bestimmte Stoffe oder Zutaten, essen kein Fleisch oder keine Milchprodukte…
Der Fokus liegt auf gesundes und ausgewogenes Essen, wobei ich Bioprodukte bevorzuge und Halbfabrikate mit Zusatzstoffen wie z.B. Konservierungsmittel gerne vermeide. Im Moment teste ich tatsächlich eine vegetarische Tüte für Kunden, die mich in der Vergangenheit darauf angesprochen haben, und in den nächsten Wochen liefere ich vegetarische Probetüten für zwei oder vier Personen.
Wie kommt ihr auf die Ideen zu den Rezepten?
Das ist ganz unterschiedlich. Inspiration bekomme ich überall, Fernsehen, Kochbücher, Internet, oft hat man schon eine Idee und kann davon schon das Rezept entwickeln. Die Inspiration kennt keine Grenzen.
Haben die Deutschen eigentlich andere Essgewohnheiten als die Schweden?
Ja, die Deutschen essen in der Regel nur einmal warm pro Tag, oft zum Mittagessen. Die Schweden essen oft zweimal warm, vor allem abends. Das ist aber eine Regel mit vielen Ausnahmen. Ich habe viele Deutschen in meinem Bekanntenkreis, die auch gerne zweimal warm essen, wenn sie die Zeit haben. Ansonsten ist die deutsche Esskultur relativ ähnlich wie die schwedische geprägt von internationalen Einflüssen. Auch wenn die klassische deutsche Haumannskost noch sehr beliebt ist, essen viele auch sehr gerne internationale Gerichte.
Du warst mal Restaurantleiter. Vermisst Du nicht den Trubel und das Arbeiten im Team?
Ja, vielleicht vermisse ich es manchmal in einem großen Unternehmen zu sitzen, da hat man für jede Entscheidung einen Unterstützer von Oben. Auf der anderen Seite kann ich entscheiden, wo ich in der Produktionskette sitzen kann und meine Tage selbst planen. Die Firma besteht aus mir und meinem Bruder, und ist ein so genanntes Smart-up, d.h. eine kleine Organisation, wo die Entscheidungswege und Prozesse sehr einfach sind. Aber ich arbeite ja trotzdem in einem Team, da ist auch ein großes Netzwerk aus Partnern, Freiberuflern, viele, die auch Gründer sind und so habe ich auch ganz viel Kontakt mit anderen Menschen.
Verrätst du uns zum Schluss noch dein Lieblingsessen?
Das ist schwierig, ich mag so viel, aber die thailändische Küche finde ich immer sehr köstlich. Auf jeden Fall mag ich Köttbullar, ich esse immer noch sehr viele Fleischbällchen, ganz klassisch mit Preiselbeeren. Man kann übrigens ganz viel machen mit Fleischbällchen. Zum Beispiel die mexikanische Variante in scharfer Tomatensauce, so es wie die amerikanische Fernsehköchin, Rachael Ray einmal gemacht hat. Das ist halt das interessante mit den internationalen Gerichten.

Autor(in): Beate – b.scherberich@gmx.net

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